Sonntag, 19. April 2009
Und was haben Sie von ihrem Unglauben?
Ich komme an diesem Sonntag gerade von einem schönen 15-Kilometer-Lauf zurück. Mein Projekt "Abzunehmen, um lockerer laufen zu können und dabei mehr Freude zu haben", macht nur zähe Fortschritte. Die Fettverbrennung läuft hat langsam ab. Vor dem Loslaufen saß ich erst noch eine Stunde am Esstisch, habe Kaffee getrunken und Zeitung gelesen. Dabei habe ich noch einen Obstsalat verzehrt, den ich mir aus einem Apfel und einer Banane und etwas Honig selbst gemacht habe.

In der Zeitung stand ein Bericht über einen Mann, der früher als Werkzeugmacher gearbeitet hat und nun aufgrund der Finanzkrise arbeitslos ist. Dieser Mann hat ein typisches Mittelklasseleben geführt: er hat ein Haus, ein Mittelklasseauto und zwei Kindern. In seiner Freizeit predigt er in einer evangelischen Kirche. Die Arbeitslosigkeit hat ihn verständlicherweise etwas mitgenommen. In diesem Zeitungsbericht erklärt dieser Mann dem kritischen Reporter, warum er glaubt. Dieser Bericht endet mit der Frage des Werkzeugmachers: "Und was haben sie von ihrem Unglauben?". Diese Frage möchte ich nun beantworten.

Diese Frage "Und was haben sie von ihrem Unglauben" erscheint mir seltsam. Man entscheidet sich nicht für einen bestimmten Glauben oder den Unglauben, weil man sich davon bestimmte persönliche Vorteile verspricht, oder? Ich bin ungläubig, weil dies für mich nach langer sorgfältiger Prüfung das einzig logische richtige ist. Die Frage lautet eher, was sich dieser Mann von seinem Glauben verspricht.

Der Glaube lindert die Angst vor dem Tod. Aufgrund von evolutionsbiologischen Prozessen produziert jedes Gehirn ein Gefühl, das man mit der Angst vor dem Tod umschreiben kann. Dieses Gefühl ist sinnvoll, weil es die Maus dazu bringt, vor der Katze davon zu laufen. Dieses Gefühlt ist auch sinnvoll, weil man dadurch Angst bekommt, über ein hohes Drahtseil zu balancieren. Dieses Gefühl ist manchmal auch vorhanden, wenn keine konkrete Lebensgefahr herrscht. Diese Angst kann teilweise durch die Zeugung und Aufzucht von Kindern abgemildert werden. Man sagt dann, dass man in seinen Kindern weiter lebt. Manchmal stellt sich das Problem, dass diese Angst vor dem Tod aufkommt, obwohl keine konkrete Lebensgefahr herrscht. Aus bestimmten Gründen möchte man dann nicht einfach ein paar Kinder zeugen, um der Angst zu begegnen. In einer solchen Situation halte ich es Ausnahmsweise für erlaubt, sich selbst zu belügen, um diese Angst zu bekämpfen. Ich würde mir dann vorstellen, dass ich nach dem Tod wiedergeboren werden. Diese Vorstellung deckt sich ungefähr mit den Lehren des Buddhismus und Hinduismus. Andere Religionen versprechen dagegen ein Leben im Paradies. Mir ist dagegen die Vorstellung von der Wiedergeburt sympathischer, weil man dadurch gelassener und weniger fanatisch wird. Als Anhänger der Paradies-Vorstellung könnte man schnell der Meinung verfallen, dass man noch unbedingt etwas großes leisten müsste, um ins Paradies zu kommen. Die Anhänger der Wiedergeburt sind dagegen gelassener. Diese Ausführung hat gezeigt, dass ein Glaube bei der Angst vor dem Tod helfen kann.

Manche Religionen beantworten auch die Frage nach dem Sinn des Lebens. Für mich ist die Frage nach dem Sinn des Lebens keine berechtigte Fragestellung, sondern das Symptom des Unglücklichseins. Kein glücklicher Mensch stellt sich die Frage nach dem Sinn des Lebens. Oder hat man schon gehört, dass frisch verliebte Paare abend gemeinsam im Mondschein über den Sinn des Lebens diskuttieren? Es sind nur die unglücklichen Menschen, die gerne das folgende Versprechen hören würden: wenn du dein ganzes Leben immer das tust, was Gott von dir erwartet, kommst du ans Ende ins Paradies. Wenn man sich diese Frage stellt, sollte man lieber etwas gegen sein Unglücklichsein unternehmen, als diesen falschen Glauben anzunehmen. Denn wenn man versucht, dieses Versprechen umzusetzen, muss man sein ganzes Leben unglücklich das tun, was einem gesagt wird. Dabei erlischt die Seele und man wird immer nur von der Hoffnung wach gehalten, dass man am Ende ins Paradies kommt. Dieses Versprechen finde ich eher gefährlich, weil es einen dazu bringt, nichts gegen sein Unglücklichsein zu unternehmen.

Die Frage lautet damit nicht "Und was haben sie von ihrem Unglauben", sondern die Frage lautet "Was hat man vom Glauben?". Der Glaube nimmt die Angst vor dem Tod und gibt eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens.

 
ich halte mich jetzt nicht für einen explizit unglücklichen menschen und frage ich dennoch nach dem sinn des lebens. meine antwort rekurriert dabei aber immer auf dasselbe, und das macht mich glücklich und bewahrt mich davor, dass ich anfange, ach so geilen job oder die nächst höhere autoklasse oder sonstigen scheiß für mich glück herhalten lassen zu müssen.

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Die Frage "Was hat man vom Glauben?" ist natürlich genau so falsch. Meines Erachtens hat Nützlichkeitsdenken wenig mit Religiosität zu tun.

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