Freitag, 3. Juli 2009
Die Aufzugssteuerung spinnt - wurde die in Indien programmiert?
Eben wollte ich mit dem Aufzug vom 25. Stockwerk, wo sich die Cafeteria befindet, in den 20. Stockwerk fahren. Das erste was mir komisch auffällt ist, dass das Licht des Aufzugs-Rufknopfes wieder ausgeht, bevor ein Aufzug gekommen ist. Also habe ich ihn ein zweites Mal gedrückt. Danach meldet zwar ein Aufzugsschacht durch Ton und Licht, dass der Aufzug da ist, aber bevor die Tür aufgeht, zählt die Stockwerksanzeige dieses Aufzugsschachtes wieder nach unten. Also habe ich den Rufknopf ein drittes Mal gedrückt. Als die Aufzugstür dann endlich aufging, bin ich schnell reingesprungen.
Obwohl ich in dem Aufzug die Taste für den 20. Stockwerk gedrückt habe, sagt er beim nächsten Halt an, dass er schon im 16. Stock wäre. Danach fährt er ohne die Tür zu öffnen gleich wieder hoch in den 20. Stock. Als ich dann ausgestiegen bin, habe ich mich erst einmal vergewissert, dass es auch wirklich die richtige Etage ist und der Aufzug nicht etwa etwas Falsches angezeigt hat.

Das erinnert mich daran, dass vor zwei Tagen eine Durchsage kam, dass alle Aufzüge im den 50-stöckigen Hochhaus wegen einer Störung der Aufzugssteuerung vorübergehend außer Betrieb sind. Diese Betriebsstörung hat eine Stunde gedauert.

Man sollte sich garnicht ausmalen, was passieren könnte, wenn ich am Freitag Abend den Zug erwischen möchte, der nur alle zwei Stunden fährt, und ich dann aufgrund eines Fehlers in der Aufzugssteuerung meinen schweren Trolley 20 Stockwerke durch das Treppenhaus nach unten tragen muss. Das würde ich aber garantiert der Bank irgendwie in Rechnung stellen.

Vor einigen Monaten hatte die Aufzugssteuerung einen anderen Fehler: der Aufzug ist zwar in das richtige Stockwerk gefahren, hat aber in der Anzeige die falsche Stockwerksnummer angezeigt. Dabei musste ich mir folgende Frage stellen: Was würde passieren, wenn man mit dem Express-Aufzug vom 38. in den 0. Stock fahren möchte, und die Aufzugssteuerung hat sich verzählt, und deshalb versucht, in den -10. Stock fahren? Diese Express-Aufzüge können ja ziemlich schnell werden.

Das Problem ist bestimmt nicht, dass der Aufzug zu alt ist, sondern eher, dass die Aufzugssteuerung zu neu ist und aus Kostengründen in Indien programmiert wurde.

Beim gestrigen Teammeeting habe ich nachher im Biergarten so ähnliche Stories aus Projekten gehört.
Ein Kollege arbeitet in einem monopolistischen Großkonzern, der seine IT nach Indien verlagert hat. Eine typischer Arbeitsablauf sieht dort wie folgt aus: Der Fachbereich möchte ein neues Wertpapier einpflegen. Dazu wurde extra ein schneller Änderungs-Prozess namens QuickChange definiert. Der Fachbereich fragt den deutschen IT-Koordinator, wieviel die Eintragung eines Wertpapiers kostet. Der deutsche IT-Koordinator sendet dann eine E-Mail nach Indien und bekommt die Antwort: 1,5 Stunden. Der deutsche IT-Koordinator addiert dann eine halbe Stunde für seine Aufwände und gibt dann dem Fachbereich die Antwort: "Es würde 2 Stunden kosten, möchten Sie das wirklich?". Wenn der Fachbereich weiterhin daran Interesse hat, wird eine endgültige Schätzung eingeholt. Dazu sendet der deutsche IT-Koordinator wieder eine E-Mail mit der Bitte um eine endgültige Schätzung nach Indien, addiert wieder eine halbe Stunde, und sendet die Antwort an den Fachbereich. Daraufhin beauftragt der Fachbereich diese Änderung. Die eigentliche Änderung, d.h. die Eintragung einer Zeile in eine Property-Datei durch einen Inder, kostet nur 10 Minuten Aufwand. Es dauert dann aber noch 6 Wochen, bis diese Änderung auf der Produktionsumgebung aufgespielt ist. In Deutschland hätte man die Software so entwickelt, dass der Fachbereich selbst über eine Administrations-Maske neue Wertpapiere anlegen kann, und dazu keinen Auftrag vergeben muss. Aber die Sicht des IT-Vorstandes auf dieses Thema ist nur, dass die Verlagerung nach Indien ein Erfolg war, weil dadurch nur noch die halben Tagessätze gezahlt werden müssen.
Das führt zum Management-Problem, dass wenn der IT-Vorstand die Verlagerung nach Indien beschließt, der IT-Vorstand dann nur noch Erfolgsmeldungen hören möchte und überhaupt nicht hören möchte, dass das Fazit nach zwei Jahren ist, dass die Verlagerung ein Fehler war. Aber wie kann man einen solchen Fehler dann beheben, wenn sich der IT-Vorstand weigert, Fehler wahrzunehmen?

Zurück zum Teammeeting:
Früher ist man beispielsweise mit dem ganzen Team für ein Wochenende zu einem Weinfest nach Rüdesheim gefahren, inklusive Übernachtung in einem guten Hotel und Radausflug mit Leihräder und Führer. Heute geht man in einen sehr einfachen Biergarten neben einem Schwimmbad, wo es nur Rindsbratwurt zu Essen gibt. So kann man seinen Mitarbeitern auch kommunizieren, dass es mit der nächsten Gehaltserhöhung nichts wird.
Als Mitarbeiter muss man sich dann auch eine andere Arbeitseinstellung zulegen. In der Boom-Zeit um das Jahr 2000 herum hat noch jeder gedacht, dass wenn man jetzt im Beruf richtig Gas gibt, die Firmengröße dann in das Unendliche wächst und man es in ein paar Jahren geschafft hat, dank den Mitarbeiter-Aktien nicht mehr arbeiten zu müssen. Mittlerweile wurden die Gewinne durch die Mitarbeiter-Aktien wieder komplett von der Finanzkrise dahingerafft. Heute hat man eine andere Arbeitseinstellung: man muss die Zeit bis zum immer höher werdenden Renteneintrittsalter möglichst gesund und ohne Überlastungsschäden rumbringen. Leistung lohnt sich eh nicht mehr; der Vorstand sendet ja nächstes Jahr sowieso wieder eine Rundmail, in der mitgeteilt wird, dass es dieses Jahr wieder keine Gehaltserhöhung gibt.

 
"Leistung lohnt sich eh' nicht mehr" - kenne ich auch, obwohl ich nicht im IT-Bereich arbeite. Nicht umsonst gibt es so viele Firmen, bei denen der Großteil der Mitarbeiter die innere Kündigung bereits vollzogen hat...

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