Wie man als Deutscher in der Schweiz ausgenommen wird
it-single, 23:18h
Diese Woche war ich mit einem österreichischen Bergführer in den Berner Alpen unterwegs. Dabei habe ich ein paar schöne Fotomotive gesehen - z.B. ein durch den Sonnenaufgang rötlich angeleuchteter Berg. Der Bergführer hat mir aber nie das Fotografieren erlaubt. Beim Aufstieg mussten wir nämlich wegen der Gefahr von Gletscherspalten am gespannten Seil gehen. Sobald einer der drei Seilschaftsmitglieder stehen bleibt, müssen alle anderen auch sofort stehen bleiben. Die Tasche meines Fotoapparats ist am Hüftgurt meines Rucksacks befestigt, so dass ich während des Gehens den Fotoapparat herausziehen und anschalten kann. Ich müsste nur für maximal fünf Sekunden stehen bleiben, damit das Bild nicht verwackelt. Aber wenn ich mal dem Bergführer zugerufen habe: "Fotopause", hat er das einfach ignoriert und weiter am Seil gezogen. Der Bergführer hätte mich eher durch seinen Seilzug umgerissen, als dass er stehen geblieben wäre. Ich bin doch kein Stück Vieh, das man einfach so durch die Berge ziehen kann. Auf diese Art von Bergtouren habe ich bald keine Lust mehr.
Der Bergführer selbst hat dagegen viele Fotos gemacht. Diese Fotos sammelt er für die Fotogalerie seines Internetauftritts. Ich musste oft für ein paar Sekunden stehen bleiben, wenn der Bergführer ein Foto gemacht hat. Ich mir gedacht, dass es nicht so schlimm ist, wenn der Bergführer mich nicht Fotografieren läst, da ich ja dann die Fotos vom Bergführer bekomme.
An einem Abend der Tourenwoche sind wir auf der Oberaarjochhütte abgestiegen. Dort war unsere Dreiergruppe neben einer Dreiergruppe eines Schweizer Bergführers die einzigen Gäste. Am Abend hat mich der Schweizer Bergführer erst einmal belehrt, dass ein Bergführer nie stehen bleiben darf, wenn ein Gast dies wünscht. Denn "hier mal kurz ein Foto" und "dort mal kurz ein Foto" kann sich im Laufe der Tour zu zwei Stunden summieren. Und es macht einen großen Unterschied, ob man eine Stunde vor dem Gewitter oder eine Stunde nach dem Gewitter an der Hütte ankommt. Es hätte keinen Sinn gehabt, dem Bergführer vorzurechnen, dass sechs Fotos multipliziert mal 5 Sekunden pro Foto weniger als eine Minute ergibt. Als Nächstes hat der Schweizer Bergführer gesagt, dass er grundsätzlich nie Fotos kostenlos an seine Gäste abgibt. Sein Fotoapparat hat nämlich 500 Franken gekostet, und die Kosten für den Fotoapparat müssen ja wieder irgendwie reinkommen. Weiterhin benötigt er ja noch einen Computer. Und wenn er nach ein paar Tagen in den Bergen wieder nach Hause kommt, ist er einen ganzen Tag mit der Bearbeitung der Fotos beschäftigt. Dieser Verdienstausfall muss ja auch bezahlt werden. Des Schweizers Bergführers liebster Gast ist einer der sagt: "Hier hast Du 100 Franken für alle Fotos". (Bei dem aktuellen Wechselkurs entsprechen 100 Franken 90 Euros.) Einmal hat der Schweizer Bergführer eine E-Mail von einer Schulklasse bekommen, die um die Zusendung der Bilder gebeten hat. Die Antwort des Schweizers war: "Und was bekomme ich dafür?".
Für einen Absatz muss ich mal von dem Abend auf der Oberaarjochhütte zum Nachmittag des vorangegangenen Tages springen: An einem Nachmittag auf der Finsteraarhornhütte hatte ich Zeit, ein ausliegendes Buch des Schweizer SLF (Institut für Schnee- und Lawinenforschung) zu studieren. In diesem werden alle Lawinenunfälle einer bestimmten Wintersaison analysiert. Als Skitourengänger habe ich Grundkenntnisse und Interesse an Lawinenkunde. Personen ohne Lawinenkenntnisse können sich dies stark vereinfach wie folgt vorstellen: das SLF veröffentlich täglich für jedes Gebiet eine Lawinenwarnstufe; dieser Wert von 1 bis 5 gibt an, bis zu welcher Hangsteilheit man gehen darf.
1. Lawinenunfall: Die ersten Seiten dieses Buches behandeln einen klassischen Lawinenunfall: lawinenunkundige junge Skifahrer verlassen bei hoher Gefahrenstufe die gesicherte Skipiste und fahren in einen frisch verschneiten und unverspurten Steilhang. Diese Variantenskifahrer waren an ihrer Verschüttung selbst Schuld, da der Hang steiler war, als es die Lawinenwarnstufe erlaubt hätte.
2. Lawinenunfall: Ein Bergführer hatte trotz eines hohen Lawinenwarnstufe eine Skitour mit seinen Gästen unternommen. Die Gäste wollen ja nicht auf der Hütte sitzen bleiben, wenn sie Urlaubstage genommen und den Bergführer bezahlt haben. Der Bergführer wollte eigentlich unterhalb der Waldgrenze bleiben, wo man vor Lawinen sicher ist. Er ist dann genau bis zur Waldgrenze aufgestiegen, wo er umdrehen wollte. Die Gruppe stand damit genau an der Grenze zwischen einem steilen Neuschneehang und dem Wald. Eine Lawine hat zwei Gäste dieser Gruppe getötet. Der Bergführer hat einen Fehler gemacht. Es gilt zwar die Regel, dass der Wald vor Lawinen schützt, aber diese Regel gilt nur, wenn man mindestens 50 Meter im Wald drin ist, aber nicht, wenn man genau am Waldrand steht. Trotz dieses Fehlers des Bergführers wurde er von dem SLF-Buch von jeder Verantwortung freigesprochen. Der Bergführer hätte laut des SLF-Buches ja wegen des Nebels nicht sehen können, dass er am Fuße eines steilen Hanges steht. Auch hat der Bergführer aus der Karte aber eine Hangsteilheit von weniger als 30 Grad herausgelesen, obwohl der Hang steiler als 30 Grad war. Beide Freispruch-Begründungen im SLF-Buch sind schlechte Ausreden. Denn bei Nebel soll man ja gerade deshalb keine Skitouren gehen, da man bei Nebel die Hänge und Schneeverwehungen nicht sehen kann. Weiterhin kann man eine Hangsteilheit nicht so genau aus der Karte herauslesen, als dass man diese für die Lawinenkunde verwenden könnte. In der Lawinenkunde gibt es einen sehr großen Unterschied zwischen einem 30 Grad steilen und einem 40 Grad steilen Hang, auf einer Karte macht sich dieser Unterschied nur dadurch bemerkbar, dass der Abstand der Höhenlinien um wenige hundertstel Millimeter unterschiedlich sind. Es hat mich verwundert, wie schnell und einfach der Bergführer freigesprochen wurde.
3. Lawinenunfall: Eine Lawine hat eine Straße auf einer Länge von mehreren hundert Metern verschüttet. Die Lawine war fünf Meter hoch. Nur durch glückliche Fügung war zu dem Zeitpunkt kein Auto auf der ansonsten viel befahrenen Straße. Eine Untersuchung von Schweizer Lawinenexperten kam zum Ergebnis, dass keiner der Personen, die für die Sicherheit der Straße zuständig war, einen Fehler gemacht hat.
4. Lawinenunfall: Eine Lawine hat drei Personen auf einer Skipiste verschüttet. Eine Untersuchung von Lawinenexperten kam zum Ergebnis, dass keiner der für die Lawinensicherheit des Skigebiets zuständigen Personen einen Fehler gemacht hat. Die Lawine war nicht voraussehbar.
5. Lawinenunfall: Zwei Skitourengeher wurden von einer Lawine verschüttet und konnten nur noch tot geborgen werden. Die aktuelle Lawinenwarnstufe für dieses Gebiet hatte die Lawinengefahr als gering eingestuft, so dass die Hangsteilheit, bei der die Lawine abgegangen ist, erlaubt gewesen wäre. Das Problem war, dass das SLF eine zu niedrige Lawinenwarnstufe veröffentlicht hat. Eine Schweizer Expertenkommission kam zum Ergebnis, dass das SLF keinen Fehler gemacht hat. Die Skitourengehen hätten sich ja auch an dem Lawinenbericht eines benachbarten Gebietes orientieren können, welcher eine höhere Lawinenwarnstufe angibt. Weiterhin stand in dem dazugehörigen Lawinenbulletin "die Lawinengefahr kann am Nachmittag leicht ansteigen". Solche Standardformulierungen findet man sehr oft. Ich selbst finde es bemerkenswert, dass das SLF nicht die Verantwortung für diesen Fehler übernimmt. Man muss sich aber darüber klar sein, dass der Unfall von Schweizer Lawinenexperten untersucht wurde, und beim SLF Schweizer Lawinenexperten arbeiten. Auch wenn diese Personen nicht identisch sind, kennen sich diese Personen alle. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.
6. Lawinenunfall: Zwei Deutsche Skitourengeher haben eine kleine Lawine ausgelöst. Niemand wurde verschüttet. Das SLF-Buch kam zum Ergebnis, dass die Deutschen schuldig sind. Sie bekamen eine hohe Geldstrafe wegen des Betretens eines Wildschutzgebietes. Nach meinen Kenntnissen in der Lawinenkunde wäre es erlaubt gewesen, bei der damaligen Lawinenwarnstufe den Hang zu begehen. Die ausgelöste Lawine war auch nur klein und hätte vermutlich nicht gereicht, eine Person komplett zu verschütten.
Nach dem Durcharbeiten dieser Lawinenberichte habe ich versucht, etwas daraus zu lernen. Viel schlauer bin ich nicht geworden. Mir ist nur eine Systematik aufgefallen: Schweizer wurden nie für Fehler zur Verantwortung gezogen, während Deutsche sofort als Sündenbock herhalten müssen.
Zurück zur Oberaarjochhütte: Der Schweizer Bergführer hat einen Bergunfall am nicht weit entfernten Groß Grünhorn angesprochen. Zwei Tage vorher haben mehrere Seilschaften die Hochtour gemacht, die bei der Konkordiahütte beginnt, zum Groß Grünhorn führt und an der Finsteraarhornhütte endet. Diese Hochtour habe ich selbst vor zwei Jahren gemacht. Mittlerweile hat aber jemand eine Abkürzung dieser Hochtour eingerichtet. Als ich diese Hochtour gemacht hatte, musste man vom Groß Grünhorn noch weit auf dem Anstiegsweg zurück zur Konkordiahütte absteigen, um danach wieder 300 Meter zur Grünhornlücke hochsteigen zu müssen, um zur Finsteraarhornhütte zu kommen. Die neue Abkürzung vermeidet die 300 zusätzlichen Höhenmeter, spart damit knapp eine Stunde und macht die Hochtour interessanter. Diese neue Abkürzung ist eine Abseilpiste die vom Grat am Grünhorn zur Finsteraarhornhütte führt.
Ein Schweizer Bergführer stand mit seiner Gruppe unten an der Abseilpiste, als zwei deutsche Bergsteiger ohne Bergführer oben mit dem Abseilen begonnen haben. Die Deutschen Bergsteiger haben dabei einen Steinschlag ausgelöst. Ein Stein hat den Helm eines Hochtourengehers durchlagen und eine tödliche Kopfverletzung verursacht. Es stellt sich nun die Frage, wer Schuld an diesem Unfall hat.
Auf der Homepage der Finsteraarhornhütte findet man eine Tourenbeschreibung zum Groß Grünhorn. In dieser Tourenbeschreibung ist nur noch die neue Abseilpiste und nicht mehr der alte Weg, den ich noch gegangen bin, beschrieben. Die Homepage weist auf eine erhöhte Steinschlaggefahr hin.
Im Internet habe ich ein Bild gefunden, das den letzten Teil dieser Abseilpiste zeigt. Auf dem Bild erkennt man nicht nur die vielen losen Steine in der Abseilrinne, sondern sieht auch viele Steine auf dem Gletscher liegen. Diese vielen losen Steine in der Abseilrinne sind dadurch zu erklären, dass die Route frisch eingerichtet wurde. Routen, die schon seit längerer Zeit begangen werden, sind ausgeputzt. Wahrscheinlich haben sich die Personen, die diese Abseilroute eingerichtet haben, auch nicht die Mühe gemacht, die Rinne von losen Steinen zu befreien. Die vielen auf dem Gletscher liegenden Steine deuten auf einen ständigen Steinschlag hin.
Die Abseilpiste führt mehrere hundert Meter in der immer gleichen Steinschlagrinne nach unten. Nur so ist es zu erklären, dass der Stein genug Fahrt aufnehmen konnte, um den Steinschlaghelm zu durchschlagen. Ich selbst habe ich auch schon ein paar Abseilfahrten unternommen. Dabei habe ich keine Abseilpiste gesehen, bei der man immer in der gleichen Rinne bleibt. Meistens ist der letzte Abseilhaken außerhalb der Steinschlaglinie des ersten Abseilhakens. Wenn ich mir diese Abseilpiste anschaue, komme ich zum Ergebnis, dass man in dieser Steinschlagrinne keine Abseilpiste hätte einrichten dürfen, da die Steinschlaggefahr zu groß ist. Wenn man bedenkt, dass es früher möglich war, die Tour ohne diese Abkürzung zu begehen, war die neue Abseilpiste unnötig.
Bei meinen bisherigen Abseilfahrten habe ich gelernt, dass selbst bei oft begangenen und damit von losen Steinen ausgeputzten Routen immer wieder ein paar Steine herunterfallen. Beim Abseilen muss man sich nämlich mit den Füßen an der Wand abstützen. Manchmal führt die Struktur der Wand auch dazu, dass man beim Abseilen etwas pendelt. Dann muss man sich schnell mit den Füßen an der Wand abstützen. Dabei ist es unmöglich, dass man genau hinschaut, wo man sich mit den Füßen abstützt und ob dort etwa Steine liegen. Steinschlag kann ebenfalls dann ausgelöst werden, wenn man nach einer Abseilfahrt das Seil abzieht. Das abgezogene Seil fällt ja danach bis zu 25 Meter nach unten und kann irgendwo Steine lösen.
Bei den Abseilfahrten habe ich gelernt, dass man am Ende der Abseilfahrt sofort rausquert und am besten unter einer überhängenden Wand Schutz sucht, da die nächste Abseilende Person oft Steinschlag auslöst. Um den Unfall beurteilen zu können, müsste man wissen, ob die vom Steinschlag getroffene Person sofort nach der Abseilfahrt die Steinschlagzone verlassen hat, oder dort noch länger gestanden ist, um auf die anderen Gruppenmitglieder zu warten oder Fotos zu machen. Es wäre die Aufgabe des Bergführers, die Gäste darauf hinzuweisen, die Steinschlagzone sofort zu verlassen.
Im Rahmen der Unfallanalyse ist auch zu prüfen, wie es passieren konnte, dass ein Stein einen Steinschlaghelm durchschlagen konnte. Vielleicht war der Kunststoffhelm schon alt und durch jahrelange UV-Strahlung spröde geworden.
Meine vorläufige Beurteilung des Unfalls ist, dass es ein Fehler war, in dieser Steinschlagrinne eine solche unnötige Abseilpiste einzurichten.
Nach dem Unfall sind die Bergführer bis spät in der Nacht in der Hütte zusammen gehockt und haben die Schuldfrage diskutiert. Das Ergebnis der Schweizer Bergführer war, dass die Deutschen die alleinige Schuld an dem Unfall haben. Sie hätten nicht mit dem Abseilen beginnen dürfen, bevor die Schweizer Gruppe die Abseilpiste verlassen haben. Eine solche Regelung ist mir aber trotz meiner einwöchigen Kletterausbildung nicht bekannt. Eine solche Regelung wäre auch praktisch nicht möglich. Ein unerfahrener Gast benötigt für jede Abseilstrecke mehrere Minuten, da er noch nicht so schnell abseilen kann und auch einige Zeit für das Seilhandling zum Anfang und Ende der Abseilfahrt benötigt. Nehmen wir mal an dass ein unerfahrener Gast 3 Minuten je Abseilfahrt benötigt. Dann benötigt eine Seilschaft mit 4 Bergsteigern insgesamt 12 Minuten ja Abseiletappe. Der gesamte Zeitaufwand für eine Abseilpiste mit 6 Abseilhaken ist damit mehr als eine Stunde. Üblicherweise sind auch mehrere Seilschaften auf einer Route unterwegs. Wenn diese von den Schweizern Bergführern erfundene Regel stimmen würde, müsste die vierte Seilschaft ja drei Stunden an der Abseilpiste warten. Diese Regel der Schweizer Bergführer erscheint mir, als wäre sie mal schnell erfunden worden, um den Deutschen die Schuld zu geben.
Nach dem Unfall wurden die Personalien der deutschen Bergsteiger aufgenommen. So wusste die Polizei auch, auf welcher Hütte die Bergsteiger übernachten. Es wurde ausspioniert, über welchen Weg die Deutschen in das Tal absteigen wollen. Am Tal wurden die Deutschen dann von Polizisten in Zivil überrascht und abgeführt. Diese Art der Behandlung finde ich einen schlechten Stil. Man hätte doch einfach sagen können: "Wir müssen uns mal eine Stunde an einen Schreibtisch setzen, um ein Protokoll aufzunehmen. Können Sie bitte nach dem Talabstieg aufs Revier kommen?"
Vermutlich haben die Schweizer angenommen, dass die Deutschen genau so abhauen würden, wie es der Schweizer Paraglider getan hat, der vor zwei Wochen in eine deutsche Seilbahn geflogen ist und damit bewirkt hat, dass 20 Personen über Nacht in einer Gondel gefangen waren.
Bei dieser Art der Behandlung und Vorverurteilung glaube ich nicht, dass die Deutschen eine faire Behandlung durch die Schweizer zu erwarten haben.
Nach einem weiteren Glas Rotwein hat der Schweizer Bergführer von seiner Zeit als Führer auf das Matterhorn erzählt. In einem Jahr hat er 25-mal auf das Matterhorn geführt. Bei einem Gipfeltarif von 1200 Franken ist das sehr lukrativ. Ein Bergsteiger hat ohne Führer keine Chance, auf das Matterhorn zu kommen, auch wenn er dazu die klettertechnischen Fähigkeiten hätte. Eine Tour auf das Matterhorn muss man so früh beginnen, dass man die ersten Stunden in der Dunkelheit geht. Es wäre zeitlich problemlos möglich, erst zu Sonnenaufgang zu starten. Nur würde man dann in den Gegenverkehr von den einhundert anderen Seilschaften kommen, die bei Dunkelheit starten. Wenn sich also der Bergsteiger ohne Führer entschlossen hat, bei Dunkelheit zu starten, hat er das Problem, den Weg zu finden. Die Schweizer sind ja nicht so dumm, den Weg zu markieren, wenn sie statt dessen 1200 Franken für das Zeigen des Weges verdienen können. In den Alpen löst man dieses Problem der Wegfindung üblicherweise dadurch, dass man ein paar Seilschaften mit Bergführer vorgehen läst, und sich dann an deren eingeschlagenen Weg orientiert. In der Dunkelheit kann man den Weg ja gut am Schein der Stirnlampen erkennen, ohne direkt hinter den Führern hinterher zu laufen. Dies passt den Matterhorn-Führern aber auch nicht, da sie dann Probleme hätten, ihren Gästen zu erklären, wofür sie 1200 Franken verlangen. Deshalb haben sie ein paar schmutzige Tricks entwickelt. Der Hüttenwirt der Hörnli-Hütte schließt um eine gewisse Uhrzeit die Hüttentür auf. Vorher versammeln sich die Bergführer mit den Gästen vor der Tür und achten darauf, dass erst alle Bergführer losgehen, bevor eine Seilschaft ohne Bergführer los darf. Ein Bergführer gibt dann seinen Gast an einen anderen Bergführer ab und läst sich zurück fallen, so dass die führerlosen Bergsteiger hinter ihm sind. Der Bergführer verlässt dann die richtige Route auf das Matterhorn und klettert in die Ostwand. Dort platziert er dann ein paar mitgebrachte Taschenlampen, die er für drei Franken das Stück gekauft hat. So werden alle führerlosen Bergsteiger in die Irre geführt. Danach klettert der Bergführer wieder zurück zum richtigen Weg und nimmt wieder seinen Gast.
Eine solche Irreführung ist sehr gefährlich. Die irregeführten Bergsteiger können ja leicht in der schwierigen Ostwand abstürzen. Wie wäre dann ein tödlicher Absturz infolge einer Irreführung juristisch zu Beurteilen? In der Schweiz gibt es ein Gesetz über fahrlässige Tötung: "Wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft." Ich nehme nicht an, dass ein Schweizer Gericht dieses Gesetz bei einem Schweizer Bergführer anwenden würde.
Von dem Gerede des Schweizer Bergführers hatte ich genug. Deshalb bin ich früh zu Bett gegangen. Am nächsten Morgen musste ich mir noch den mürrischen Hüttenwirt der Oberaarhornhütte anhören. Nehmen Sie noch Teewasser. Nein, ich benötige kein Teewasser. Aber Sie haben doch Teewasser bestellt. Nein, ich habe kein Teewasser bestellt. Der Hüttenwirt war daraufhin sauer, dass er seine 6 Liter Teewasser nicht zu einem Preis von 6 Franken pro Liter los bekam. Als nächstes bekam ich einen Rüffel, dass ich mein abgeräumtes Frühstückgeschirr einfach auf die Theke gestellt habe, anstatt es ordentlich zu stapeln. Der Hüttenwirt hat ja dadurch die siebenfache Arbeit. Beim Bezahlen musste ich dann feststellen, dass die 1,5-Liter-Flasche Mineralwasser 12 Franken, also umgerechnet 11 Euro kostet (ich meine wirklich Mineralwasser und nicht Champagner). Ich konnte nur mit einem 200-Franken-Schein bezahlen. Der Hüttenwirt hat gebrummt, dass ich kein 1-Franken-Stück hatte. Der 200-Franken-Schein wurde mir weggenommen, ich bekam ein paar Scheine hingeworfen und der Hüttenwirt hat sich gleich umgedreht. Bevor ich im Kopf nachrechnen konnte, wie hoch mein Anteil an der Gesamtrechnung war und was mein richtiges Rückgeld wäre, war der Hüttenwirt schon weg.
Am Abend konnte ich ein Gespräch zwischen dem Schweizer Bergführer und dem Hüttenwirt belauschen: AIDS kann auch durch Oralsex übertragen werden. Und das haben die da unten in Thailand ja fast alle. Deshalb schicke ich immer die Frau als Erstes zum Zahnarzt.. Danach war mir klar, warum die Schweizer so geldgeil sind - der Hüttenwirt rechnet wohl 6 Liter Teewasser erst in 48 Franken und dann in Anzahl Tage in Thailand um.
Die höchstgelegene Alpenhütte ist die Capanna Regina Margherita. Diese Hütte steht auf der 4554 Meter hohen Signalkuppe. Dort kostet eine 1,5-Liter-Flasche Mineralwasser nur 1,50 Euro, obwohl diese mit dem Hubschrauber hochgeflogen werden muss und man auch bereit wäre, bei dieser exklusiven Hütte etwas mehr zu zahlen. Wenn diese Hütte nur 50 Meter weiter nordwestlich stehen würde, wäre sie auf Schweizer Boden und das Mineralwasser würde das Zehnfache kosten.
Beim Abstieg von der Oberaarhornhütte wollte ich nur noch raus aus der Schweiz. Von der Schweiz hatte ich nach dem Tag auf der Oberaarhornhütte die Schnauze voll. Ich habe keine Lust mehr, mein hart und ehrlich verdientes Geld den geldgierigen Schweizern in den Rachen zu werfen, damit die mich dafür schlecht behandeln.
Der Bergführer selbst hat dagegen viele Fotos gemacht. Diese Fotos sammelt er für die Fotogalerie seines Internetauftritts. Ich musste oft für ein paar Sekunden stehen bleiben, wenn der Bergführer ein Foto gemacht hat. Ich mir gedacht, dass es nicht so schlimm ist, wenn der Bergführer mich nicht Fotografieren läst, da ich ja dann die Fotos vom Bergführer bekomme.
An einem Abend der Tourenwoche sind wir auf der Oberaarjochhütte abgestiegen. Dort war unsere Dreiergruppe neben einer Dreiergruppe eines Schweizer Bergführers die einzigen Gäste. Am Abend hat mich der Schweizer Bergführer erst einmal belehrt, dass ein Bergführer nie stehen bleiben darf, wenn ein Gast dies wünscht. Denn "hier mal kurz ein Foto" und "dort mal kurz ein Foto" kann sich im Laufe der Tour zu zwei Stunden summieren. Und es macht einen großen Unterschied, ob man eine Stunde vor dem Gewitter oder eine Stunde nach dem Gewitter an der Hütte ankommt. Es hätte keinen Sinn gehabt, dem Bergführer vorzurechnen, dass sechs Fotos multipliziert mal 5 Sekunden pro Foto weniger als eine Minute ergibt. Als Nächstes hat der Schweizer Bergführer gesagt, dass er grundsätzlich nie Fotos kostenlos an seine Gäste abgibt. Sein Fotoapparat hat nämlich 500 Franken gekostet, und die Kosten für den Fotoapparat müssen ja wieder irgendwie reinkommen. Weiterhin benötigt er ja noch einen Computer. Und wenn er nach ein paar Tagen in den Bergen wieder nach Hause kommt, ist er einen ganzen Tag mit der Bearbeitung der Fotos beschäftigt. Dieser Verdienstausfall muss ja auch bezahlt werden. Des Schweizers Bergführers liebster Gast ist einer der sagt: "Hier hast Du 100 Franken für alle Fotos". (Bei dem aktuellen Wechselkurs entsprechen 100 Franken 90 Euros.) Einmal hat der Schweizer Bergführer eine E-Mail von einer Schulklasse bekommen, die um die Zusendung der Bilder gebeten hat. Die Antwort des Schweizers war: "Und was bekomme ich dafür?".
Für einen Absatz muss ich mal von dem Abend auf der Oberaarjochhütte zum Nachmittag des vorangegangenen Tages springen: An einem Nachmittag auf der Finsteraarhornhütte hatte ich Zeit, ein ausliegendes Buch des Schweizer SLF (Institut für Schnee- und Lawinenforschung) zu studieren. In diesem werden alle Lawinenunfälle einer bestimmten Wintersaison analysiert. Als Skitourengänger habe ich Grundkenntnisse und Interesse an Lawinenkunde. Personen ohne Lawinenkenntnisse können sich dies stark vereinfach wie folgt vorstellen: das SLF veröffentlich täglich für jedes Gebiet eine Lawinenwarnstufe; dieser Wert von 1 bis 5 gibt an, bis zu welcher Hangsteilheit man gehen darf.
1. Lawinenunfall: Die ersten Seiten dieses Buches behandeln einen klassischen Lawinenunfall: lawinenunkundige junge Skifahrer verlassen bei hoher Gefahrenstufe die gesicherte Skipiste und fahren in einen frisch verschneiten und unverspurten Steilhang. Diese Variantenskifahrer waren an ihrer Verschüttung selbst Schuld, da der Hang steiler war, als es die Lawinenwarnstufe erlaubt hätte.
2. Lawinenunfall: Ein Bergführer hatte trotz eines hohen Lawinenwarnstufe eine Skitour mit seinen Gästen unternommen. Die Gäste wollen ja nicht auf der Hütte sitzen bleiben, wenn sie Urlaubstage genommen und den Bergführer bezahlt haben. Der Bergführer wollte eigentlich unterhalb der Waldgrenze bleiben, wo man vor Lawinen sicher ist. Er ist dann genau bis zur Waldgrenze aufgestiegen, wo er umdrehen wollte. Die Gruppe stand damit genau an der Grenze zwischen einem steilen Neuschneehang und dem Wald. Eine Lawine hat zwei Gäste dieser Gruppe getötet. Der Bergführer hat einen Fehler gemacht. Es gilt zwar die Regel, dass der Wald vor Lawinen schützt, aber diese Regel gilt nur, wenn man mindestens 50 Meter im Wald drin ist, aber nicht, wenn man genau am Waldrand steht. Trotz dieses Fehlers des Bergführers wurde er von dem SLF-Buch von jeder Verantwortung freigesprochen. Der Bergführer hätte laut des SLF-Buches ja wegen des Nebels nicht sehen können, dass er am Fuße eines steilen Hanges steht. Auch hat der Bergführer aus der Karte aber eine Hangsteilheit von weniger als 30 Grad herausgelesen, obwohl der Hang steiler als 30 Grad war. Beide Freispruch-Begründungen im SLF-Buch sind schlechte Ausreden. Denn bei Nebel soll man ja gerade deshalb keine Skitouren gehen, da man bei Nebel die Hänge und Schneeverwehungen nicht sehen kann. Weiterhin kann man eine Hangsteilheit nicht so genau aus der Karte herauslesen, als dass man diese für die Lawinenkunde verwenden könnte. In der Lawinenkunde gibt es einen sehr großen Unterschied zwischen einem 30 Grad steilen und einem 40 Grad steilen Hang, auf einer Karte macht sich dieser Unterschied nur dadurch bemerkbar, dass der Abstand der Höhenlinien um wenige hundertstel Millimeter unterschiedlich sind. Es hat mich verwundert, wie schnell und einfach der Bergführer freigesprochen wurde.
3. Lawinenunfall: Eine Lawine hat eine Straße auf einer Länge von mehreren hundert Metern verschüttet. Die Lawine war fünf Meter hoch. Nur durch glückliche Fügung war zu dem Zeitpunkt kein Auto auf der ansonsten viel befahrenen Straße. Eine Untersuchung von Schweizer Lawinenexperten kam zum Ergebnis, dass keiner der Personen, die für die Sicherheit der Straße zuständig war, einen Fehler gemacht hat.
4. Lawinenunfall: Eine Lawine hat drei Personen auf einer Skipiste verschüttet. Eine Untersuchung von Lawinenexperten kam zum Ergebnis, dass keiner der für die Lawinensicherheit des Skigebiets zuständigen Personen einen Fehler gemacht hat. Die Lawine war nicht voraussehbar.
5. Lawinenunfall: Zwei Skitourengeher wurden von einer Lawine verschüttet und konnten nur noch tot geborgen werden. Die aktuelle Lawinenwarnstufe für dieses Gebiet hatte die Lawinengefahr als gering eingestuft, so dass die Hangsteilheit, bei der die Lawine abgegangen ist, erlaubt gewesen wäre. Das Problem war, dass das SLF eine zu niedrige Lawinenwarnstufe veröffentlicht hat. Eine Schweizer Expertenkommission kam zum Ergebnis, dass das SLF keinen Fehler gemacht hat. Die Skitourengehen hätten sich ja auch an dem Lawinenbericht eines benachbarten Gebietes orientieren können, welcher eine höhere Lawinenwarnstufe angibt. Weiterhin stand in dem dazugehörigen Lawinenbulletin "die Lawinengefahr kann am Nachmittag leicht ansteigen". Solche Standardformulierungen findet man sehr oft. Ich selbst finde es bemerkenswert, dass das SLF nicht die Verantwortung für diesen Fehler übernimmt. Man muss sich aber darüber klar sein, dass der Unfall von Schweizer Lawinenexperten untersucht wurde, und beim SLF Schweizer Lawinenexperten arbeiten. Auch wenn diese Personen nicht identisch sind, kennen sich diese Personen alle. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.
6. Lawinenunfall: Zwei Deutsche Skitourengeher haben eine kleine Lawine ausgelöst. Niemand wurde verschüttet. Das SLF-Buch kam zum Ergebnis, dass die Deutschen schuldig sind. Sie bekamen eine hohe Geldstrafe wegen des Betretens eines Wildschutzgebietes. Nach meinen Kenntnissen in der Lawinenkunde wäre es erlaubt gewesen, bei der damaligen Lawinenwarnstufe den Hang zu begehen. Die ausgelöste Lawine war auch nur klein und hätte vermutlich nicht gereicht, eine Person komplett zu verschütten.
Nach dem Durcharbeiten dieser Lawinenberichte habe ich versucht, etwas daraus zu lernen. Viel schlauer bin ich nicht geworden. Mir ist nur eine Systematik aufgefallen: Schweizer wurden nie für Fehler zur Verantwortung gezogen, während Deutsche sofort als Sündenbock herhalten müssen.
Zurück zur Oberaarjochhütte: Der Schweizer Bergführer hat einen Bergunfall am nicht weit entfernten Groß Grünhorn angesprochen. Zwei Tage vorher haben mehrere Seilschaften die Hochtour gemacht, die bei der Konkordiahütte beginnt, zum Groß Grünhorn führt und an der Finsteraarhornhütte endet. Diese Hochtour habe ich selbst vor zwei Jahren gemacht. Mittlerweile hat aber jemand eine Abkürzung dieser Hochtour eingerichtet. Als ich diese Hochtour gemacht hatte, musste man vom Groß Grünhorn noch weit auf dem Anstiegsweg zurück zur Konkordiahütte absteigen, um danach wieder 300 Meter zur Grünhornlücke hochsteigen zu müssen, um zur Finsteraarhornhütte zu kommen. Die neue Abkürzung vermeidet die 300 zusätzlichen Höhenmeter, spart damit knapp eine Stunde und macht die Hochtour interessanter. Diese neue Abkürzung ist eine Abseilpiste die vom Grat am Grünhorn zur Finsteraarhornhütte führt.
Ein Schweizer Bergführer stand mit seiner Gruppe unten an der Abseilpiste, als zwei deutsche Bergsteiger ohne Bergführer oben mit dem Abseilen begonnen haben. Die Deutschen Bergsteiger haben dabei einen Steinschlag ausgelöst. Ein Stein hat den Helm eines Hochtourengehers durchlagen und eine tödliche Kopfverletzung verursacht. Es stellt sich nun die Frage, wer Schuld an diesem Unfall hat.
Auf der Homepage der Finsteraarhornhütte findet man eine Tourenbeschreibung zum Groß Grünhorn. In dieser Tourenbeschreibung ist nur noch die neue Abseilpiste und nicht mehr der alte Weg, den ich noch gegangen bin, beschrieben. Die Homepage weist auf eine erhöhte Steinschlaggefahr hin.
Im Internet habe ich ein Bild gefunden, das den letzten Teil dieser Abseilpiste zeigt. Auf dem Bild erkennt man nicht nur die vielen losen Steine in der Abseilrinne, sondern sieht auch viele Steine auf dem Gletscher liegen. Diese vielen losen Steine in der Abseilrinne sind dadurch zu erklären, dass die Route frisch eingerichtet wurde. Routen, die schon seit längerer Zeit begangen werden, sind ausgeputzt. Wahrscheinlich haben sich die Personen, die diese Abseilroute eingerichtet haben, auch nicht die Mühe gemacht, die Rinne von losen Steinen zu befreien. Die vielen auf dem Gletscher liegenden Steine deuten auf einen ständigen Steinschlag hin.
Die Abseilpiste führt mehrere hundert Meter in der immer gleichen Steinschlagrinne nach unten. Nur so ist es zu erklären, dass der Stein genug Fahrt aufnehmen konnte, um den Steinschlaghelm zu durchschlagen. Ich selbst habe ich auch schon ein paar Abseilfahrten unternommen. Dabei habe ich keine Abseilpiste gesehen, bei der man immer in der gleichen Rinne bleibt. Meistens ist der letzte Abseilhaken außerhalb der Steinschlaglinie des ersten Abseilhakens. Wenn ich mir diese Abseilpiste anschaue, komme ich zum Ergebnis, dass man in dieser Steinschlagrinne keine Abseilpiste hätte einrichten dürfen, da die Steinschlaggefahr zu groß ist. Wenn man bedenkt, dass es früher möglich war, die Tour ohne diese Abkürzung zu begehen, war die neue Abseilpiste unnötig.
Bei meinen bisherigen Abseilfahrten habe ich gelernt, dass selbst bei oft begangenen und damit von losen Steinen ausgeputzten Routen immer wieder ein paar Steine herunterfallen. Beim Abseilen muss man sich nämlich mit den Füßen an der Wand abstützen. Manchmal führt die Struktur der Wand auch dazu, dass man beim Abseilen etwas pendelt. Dann muss man sich schnell mit den Füßen an der Wand abstützen. Dabei ist es unmöglich, dass man genau hinschaut, wo man sich mit den Füßen abstützt und ob dort etwa Steine liegen. Steinschlag kann ebenfalls dann ausgelöst werden, wenn man nach einer Abseilfahrt das Seil abzieht. Das abgezogene Seil fällt ja danach bis zu 25 Meter nach unten und kann irgendwo Steine lösen.
Bei den Abseilfahrten habe ich gelernt, dass man am Ende der Abseilfahrt sofort rausquert und am besten unter einer überhängenden Wand Schutz sucht, da die nächste Abseilende Person oft Steinschlag auslöst. Um den Unfall beurteilen zu können, müsste man wissen, ob die vom Steinschlag getroffene Person sofort nach der Abseilfahrt die Steinschlagzone verlassen hat, oder dort noch länger gestanden ist, um auf die anderen Gruppenmitglieder zu warten oder Fotos zu machen. Es wäre die Aufgabe des Bergführers, die Gäste darauf hinzuweisen, die Steinschlagzone sofort zu verlassen.
Im Rahmen der Unfallanalyse ist auch zu prüfen, wie es passieren konnte, dass ein Stein einen Steinschlaghelm durchschlagen konnte. Vielleicht war der Kunststoffhelm schon alt und durch jahrelange UV-Strahlung spröde geworden.
Meine vorläufige Beurteilung des Unfalls ist, dass es ein Fehler war, in dieser Steinschlagrinne eine solche unnötige Abseilpiste einzurichten.
Nach dem Unfall sind die Bergführer bis spät in der Nacht in der Hütte zusammen gehockt und haben die Schuldfrage diskutiert. Das Ergebnis der Schweizer Bergführer war, dass die Deutschen die alleinige Schuld an dem Unfall haben. Sie hätten nicht mit dem Abseilen beginnen dürfen, bevor die Schweizer Gruppe die Abseilpiste verlassen haben. Eine solche Regelung ist mir aber trotz meiner einwöchigen Kletterausbildung nicht bekannt. Eine solche Regelung wäre auch praktisch nicht möglich. Ein unerfahrener Gast benötigt für jede Abseilstrecke mehrere Minuten, da er noch nicht so schnell abseilen kann und auch einige Zeit für das Seilhandling zum Anfang und Ende der Abseilfahrt benötigt. Nehmen wir mal an dass ein unerfahrener Gast 3 Minuten je Abseilfahrt benötigt. Dann benötigt eine Seilschaft mit 4 Bergsteigern insgesamt 12 Minuten ja Abseiletappe. Der gesamte Zeitaufwand für eine Abseilpiste mit 6 Abseilhaken ist damit mehr als eine Stunde. Üblicherweise sind auch mehrere Seilschaften auf einer Route unterwegs. Wenn diese von den Schweizern Bergführern erfundene Regel stimmen würde, müsste die vierte Seilschaft ja drei Stunden an der Abseilpiste warten. Diese Regel der Schweizer Bergführer erscheint mir, als wäre sie mal schnell erfunden worden, um den Deutschen die Schuld zu geben.
Nach dem Unfall wurden die Personalien der deutschen Bergsteiger aufgenommen. So wusste die Polizei auch, auf welcher Hütte die Bergsteiger übernachten. Es wurde ausspioniert, über welchen Weg die Deutschen in das Tal absteigen wollen. Am Tal wurden die Deutschen dann von Polizisten in Zivil überrascht und abgeführt. Diese Art der Behandlung finde ich einen schlechten Stil. Man hätte doch einfach sagen können: "Wir müssen uns mal eine Stunde an einen Schreibtisch setzen, um ein Protokoll aufzunehmen. Können Sie bitte nach dem Talabstieg aufs Revier kommen?"
Vermutlich haben die Schweizer angenommen, dass die Deutschen genau so abhauen würden, wie es der Schweizer Paraglider getan hat, der vor zwei Wochen in eine deutsche Seilbahn geflogen ist und damit bewirkt hat, dass 20 Personen über Nacht in einer Gondel gefangen waren.
Bei dieser Art der Behandlung und Vorverurteilung glaube ich nicht, dass die Deutschen eine faire Behandlung durch die Schweizer zu erwarten haben.
Nach einem weiteren Glas Rotwein hat der Schweizer Bergführer von seiner Zeit als Führer auf das Matterhorn erzählt. In einem Jahr hat er 25-mal auf das Matterhorn geführt. Bei einem Gipfeltarif von 1200 Franken ist das sehr lukrativ. Ein Bergsteiger hat ohne Führer keine Chance, auf das Matterhorn zu kommen, auch wenn er dazu die klettertechnischen Fähigkeiten hätte. Eine Tour auf das Matterhorn muss man so früh beginnen, dass man die ersten Stunden in der Dunkelheit geht. Es wäre zeitlich problemlos möglich, erst zu Sonnenaufgang zu starten. Nur würde man dann in den Gegenverkehr von den einhundert anderen Seilschaften kommen, die bei Dunkelheit starten. Wenn sich also der Bergsteiger ohne Führer entschlossen hat, bei Dunkelheit zu starten, hat er das Problem, den Weg zu finden. Die Schweizer sind ja nicht so dumm, den Weg zu markieren, wenn sie statt dessen 1200 Franken für das Zeigen des Weges verdienen können. In den Alpen löst man dieses Problem der Wegfindung üblicherweise dadurch, dass man ein paar Seilschaften mit Bergführer vorgehen läst, und sich dann an deren eingeschlagenen Weg orientiert. In der Dunkelheit kann man den Weg ja gut am Schein der Stirnlampen erkennen, ohne direkt hinter den Führern hinterher zu laufen. Dies passt den Matterhorn-Führern aber auch nicht, da sie dann Probleme hätten, ihren Gästen zu erklären, wofür sie 1200 Franken verlangen. Deshalb haben sie ein paar schmutzige Tricks entwickelt. Der Hüttenwirt der Hörnli-Hütte schließt um eine gewisse Uhrzeit die Hüttentür auf. Vorher versammeln sich die Bergführer mit den Gästen vor der Tür und achten darauf, dass erst alle Bergführer losgehen, bevor eine Seilschaft ohne Bergführer los darf. Ein Bergführer gibt dann seinen Gast an einen anderen Bergführer ab und läst sich zurück fallen, so dass die führerlosen Bergsteiger hinter ihm sind. Der Bergführer verlässt dann die richtige Route auf das Matterhorn und klettert in die Ostwand. Dort platziert er dann ein paar mitgebrachte Taschenlampen, die er für drei Franken das Stück gekauft hat. So werden alle führerlosen Bergsteiger in die Irre geführt. Danach klettert der Bergführer wieder zurück zum richtigen Weg und nimmt wieder seinen Gast.
Eine solche Irreführung ist sehr gefährlich. Die irregeführten Bergsteiger können ja leicht in der schwierigen Ostwand abstürzen. Wie wäre dann ein tödlicher Absturz infolge einer Irreführung juristisch zu Beurteilen? In der Schweiz gibt es ein Gesetz über fahrlässige Tötung: "Wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft." Ich nehme nicht an, dass ein Schweizer Gericht dieses Gesetz bei einem Schweizer Bergführer anwenden würde.
Von dem Gerede des Schweizer Bergführers hatte ich genug. Deshalb bin ich früh zu Bett gegangen. Am nächsten Morgen musste ich mir noch den mürrischen Hüttenwirt der Oberaarhornhütte anhören. Nehmen Sie noch Teewasser. Nein, ich benötige kein Teewasser. Aber Sie haben doch Teewasser bestellt. Nein, ich habe kein Teewasser bestellt. Der Hüttenwirt war daraufhin sauer, dass er seine 6 Liter Teewasser nicht zu einem Preis von 6 Franken pro Liter los bekam. Als nächstes bekam ich einen Rüffel, dass ich mein abgeräumtes Frühstückgeschirr einfach auf die Theke gestellt habe, anstatt es ordentlich zu stapeln. Der Hüttenwirt hat ja dadurch die siebenfache Arbeit. Beim Bezahlen musste ich dann feststellen, dass die 1,5-Liter-Flasche Mineralwasser 12 Franken, also umgerechnet 11 Euro kostet (ich meine wirklich Mineralwasser und nicht Champagner). Ich konnte nur mit einem 200-Franken-Schein bezahlen. Der Hüttenwirt hat gebrummt, dass ich kein 1-Franken-Stück hatte. Der 200-Franken-Schein wurde mir weggenommen, ich bekam ein paar Scheine hingeworfen und der Hüttenwirt hat sich gleich umgedreht. Bevor ich im Kopf nachrechnen konnte, wie hoch mein Anteil an der Gesamtrechnung war und was mein richtiges Rückgeld wäre, war der Hüttenwirt schon weg.
Am Abend konnte ich ein Gespräch zwischen dem Schweizer Bergführer und dem Hüttenwirt belauschen: AIDS kann auch durch Oralsex übertragen werden. Und das haben die da unten in Thailand ja fast alle. Deshalb schicke ich immer die Frau als Erstes zum Zahnarzt.. Danach war mir klar, warum die Schweizer so geldgeil sind - der Hüttenwirt rechnet wohl 6 Liter Teewasser erst in 48 Franken und dann in Anzahl Tage in Thailand um.
Die höchstgelegene Alpenhütte ist die Capanna Regina Margherita. Diese Hütte steht auf der 4554 Meter hohen Signalkuppe. Dort kostet eine 1,5-Liter-Flasche Mineralwasser nur 1,50 Euro, obwohl diese mit dem Hubschrauber hochgeflogen werden muss und man auch bereit wäre, bei dieser exklusiven Hütte etwas mehr zu zahlen. Wenn diese Hütte nur 50 Meter weiter nordwestlich stehen würde, wäre sie auf Schweizer Boden und das Mineralwasser würde das Zehnfache kosten.
Beim Abstieg von der Oberaarhornhütte wollte ich nur noch raus aus der Schweiz. Von der Schweiz hatte ich nach dem Tag auf der Oberaarhornhütte die Schnauze voll. Ich habe keine Lust mehr, mein hart und ehrlich verdientes Geld den geldgierigen Schweizern in den Rachen zu werfen, damit die mich dafür schlecht behandeln.