Warum ich keine Karriere mache
it-single, 15:43h
Ein Mitarbeiter hat es geschafft, nur drei Jahre nach dem Berufseinstieg zum Gruppenleiter aufzusteigen. Diese steile Karriere hat so angefangen: Der Abteilungsleiter hat in die Runde gerufen: "Wer hat Zeit, mir PowerPoint-Folien zu machen?" Ein Kollege hat geantwortet, dass er dafür leider keine Zeit hat, da er kurz vor einem Fertigstellungstermin ist und bis dahin noch viel zu tun hat. Der zukünftige Gruppenleiter hat dagegen alles stehen und liegen lassen, um für seinen Abteilungsleiter die nächsten drei Tage nur noch PowerPoint-Folien zu machen. Als der Abteilungsleiter Änderungswünsche an den Folien hatte, die die Folien verschlimmbessert haben, hat der Mitarbeiter nicht mit dem Abteilungsleiter über den Sinn dieser Änderungen diskuttiert, sondern Überstunden gemacht, um alles so wie vom Abteilungsleiter gewünscht umzusetzen. Ich hätte statt dessen dem Abteilungsleiter gesagt, dass seine Änderungswünsche nicht korrekt sind, dass es kein Sinn macht, drei Tage Arbeit in ein paar Powerpointfolien zu stecken, und dass ich keine drei Tage Zeit habe, da ich kurz vor einem Fertigstellungstermin stehe.
Mein Abteilungsleiter bittet mich dagegen nie, PowerPoint-Folien für ihn zu machen. Nur einmal konnte er nicht auf meine Mitarbeit verzichten: Es musste ein großes Angebot erstellt werden, und ich kannte mich mit der Technologie und dem Kunden am besten aus. Der Gegenstand dieses Angebots war die Migration von cirka zwanzig bestehenden Web-Anwendungen auf eine neue Technologie. Mein Abteilungsleiter war sehr scharf darauf, den Auftrag für dieses große Projekt zu bekommen.
Die Art, wie bei diesem Angebotsprozess die Terminplanung gemacht wurde, möchte ich einmal auf eine Autowerkstatt übertragen: Ein Automechaniker erkennt nach einem kurzen Durchschauen des Autos, dass die Zündkerzen, das Motoröl und der angerostete Auspuff ersetzt werden müssen. Laut Herstellervorgaben summiert sich die dafür erforderliche Arbeitszeit auf 6 Stunden. Der Kunde sagt, dass er sein Auto für höchstens 2 Stunden in die Werkstatt geben möchte, ansonsten sucht er sich eine andere Werkstatt. Ich bin in dem Vergleich der Automechaniker, der sagt: Wenn das Auto auf der Hebebühne ganz nach oben gefahren ist, damit ein Automechaniker den Auspuff wechselt, könnte ein zweiter Automechaniker gleichzeitig des Motoröl wechseln. Es ist aber nicht möglich, dass gleichzeitig in dritter Mechaniker die Zündkerzen wechselt, da man nicht an die Zündkerzen herankommt, wenn das Auto auf der Hebebühne ganz nach oben gefahren ist. Deshalb könnte man, wenn alles optimal läuft, die Inspektion in 4 Stunden durchziehen. Mein Gruppenleiter ist der, der sagt: machen wir doch einen Kompromiss und sagen 3 Stunden. Mein Abteilungsleiter verkauft dem Kunden dann 2 Stunden.
Als ich meinen Abteilungsleiter einmal persönlich darauf angesprochen habe, dass der Terminplan nicht zu machen ist, hat er nur gemeint: Lass uns erst einmal den Auftrag bekommen, dann können wir den Termin immernoch verschieben.
Bei diesem Kunden habe ich schon längere Zeit Vor-Ort gearbeitet. Es kam einmal vor, dass ein Mitarbeiter des Kunden zu mir sagte: Sie haben doch vor zwei Monaten ein Programm für meine Abteilung fertig gestellt. Mit diesem Programm bin ich auch sehr zufrieden. Nur hat sich bei der täglichen Benutzung herausgestellt, dass mir eine Funktion fehlt, die mir sehr hilfreich wäre. Könnten Sie bitte diese Funktion noch einbauen? Eigentlich war dieses Projekt für mich schon vorbei, doch war mir bewußt, dass der Mitarbeiter diese Programmfunktion dringend benötigt. Deshalb habe ich diese Funktion einfach mal so nebenbei eingebaut, ohne mir groß Gedanken darüber zu machen, wie ich die zwei Stunden Aufwand in Rechnung stellen kann. Wenn der Programmnutzer den gleichen Wunsch aber nicht an mich, sondern an einen Mitarbeiter der IT-Abteilung des Kunden herangetragen hätte, wäre die Antwort wie folgt gewesen: Füllen Sie erst einmal einen Auftrag zu Beantragung eines Kleinauftrages aus. Dieser Kleinauftrag wird dann auf einen Aufwand von zwei Tagen geschätzt und landet auf einem Stapel, auf dem schon fünfzig andere Kleinauftrags-Anträge liegen. Frühestens in einem halben Jahr hat jemand Zeit, diesen Stapel abzuarbeiten.
Diese Organisation der IT-Abteilung hat dem IT-Abteilungsleiter Kritik eingebracht. Der IT-Abteilungsleiter des Kunden hat darauf aber eine elegante Antwort gefunden: Die Ursache dieser Probleme liegt nicht an der Organisation der Abteilung, sondern daran, dass wir eine veraltete Technologie einsetzen. Wir planen, demnächst auf eine neue Technologie zu migrieren. Solche "Ausreden" haben dazu geführt, dass der Kunde erwartet hat, dass nach der Migration auf die neue Technologie alles besser wird. Mein Abteilungsleiter hat also gesagt: Jemand muss ein paar Folien machen, in denen wir sagen, warum mit der neuesten Technologie alles besser wird. Ich habe gesagt, dass das Problem ein organisatorisches Problem des Kunden ist, was sich durch eine neuere Technologie nicht ändert. Ich könnte zwar durch Googlen ein paar Marketing-Bullshit-Sätze zusammensuchen und diese auf eine Folie packen, doch könnte ich nie die Folie flüssig vortragen, weil ich genau wüsste, dass alles nur Marketing-Unsinn ist. Ein Kollege von mir hatte dagegen keine Probleme, ein paar PowerPoint-Folien mit Marketing-Bla-Bla und leeren Versprechungen zu produzieren. Darum bittet mich mein Abteilungsleiter nie, PowerPoint-Folien für ihn zu machen.
Mein Abteilungsleiter hat bei der Angebotserstellung immer davon geträumt, einen genialen Trick zu finden, damit die Migration der bestehenden Anwendungen ganz einfach ist. Am besten wäre es, man könnte das Tischtuch so schnell wegziehen und ein neues Tischtuch unterschieben, dass die Gläser auf dem Tisch nicht umfallen. Ich habe meinem Abteilungsleiter gesagt, dass dieser Trick leider nicht funktionieren wird, sondern alle Anwendungen neu entwickelt werden müssen, da die bestehenden Anwendungen zu stark mit der alten Technologie verzahnt sind. Als mein Abteilungsleiter mich das dritte Mal gefragt hat, ob es nicht doch eine Möglichkeit gäbe, wusste ich irgendwann nicht mehr, was ich noch sagen soll außer ständig zu wiederholen: es geht aus technischen Gründen nicht. Da mein Abteilungsleiter mir nicht geglaubt hat, wurde ein zweiter Kollege hinzugezogen, der einen Weg finden sollte, diesen Trick zu vollbringen. Nachdem ich mit diesem Kollegen den Quelltext der Anwendungen durchgegangen ist, ist dieser Kollege zu dem gleichen Ergebnis wie ich gekommen. Auch ein dritter Kollege kam zum gleichen Ergebnis. Nach dem Abschluss des Ausschreibungsverfahrens - das wir leider nicht gewonnen haben - sagt der Abteilungsleiter in die Runde: Der Kunde hat uns das Feedback gegeben, dass wir der einzige Anbieter waren, der vorgeschlagen hat, den Programmtext in Teilen zu erhalten; alle anderen Anbieter haben erkannt, dass die Anwendung komplett neu entwickelt werden müssen. Ich war sprachlos. Das habe ich meinem Abteilungsleiter ständig gesagt, und er hat dem Kunden dennoch etwas anderes erzählt. Und jetzt tut er so, als wäre jemand anderes als er selbst daran schuld.
Nachtrag: Einmal im Monat habe ich das Internet-Portal des Kunden aufgerufen, um zu prüfen, wie weit die Migration fortgeschritten ist. Der Kunde wollte, dass die Migration innerhalb eines Jahres erfolgt. Nach zwei Jahren und eineinhalb Monaten war die erste Version der Internetseite mit der neuen Technologie sichtbar. Dafür, dass ich mein Unternehmen davor bewahrt habe, ein nicht einhaltbares Angebot abzugeben, habe ich keinen Dank zu erwarten.
Mein Abteilungsleiter bittet mich dagegen nie, PowerPoint-Folien für ihn zu machen. Nur einmal konnte er nicht auf meine Mitarbeit verzichten: Es musste ein großes Angebot erstellt werden, und ich kannte mich mit der Technologie und dem Kunden am besten aus. Der Gegenstand dieses Angebots war die Migration von cirka zwanzig bestehenden Web-Anwendungen auf eine neue Technologie. Mein Abteilungsleiter war sehr scharf darauf, den Auftrag für dieses große Projekt zu bekommen.
Die Art, wie bei diesem Angebotsprozess die Terminplanung gemacht wurde, möchte ich einmal auf eine Autowerkstatt übertragen: Ein Automechaniker erkennt nach einem kurzen Durchschauen des Autos, dass die Zündkerzen, das Motoröl und der angerostete Auspuff ersetzt werden müssen. Laut Herstellervorgaben summiert sich die dafür erforderliche Arbeitszeit auf 6 Stunden. Der Kunde sagt, dass er sein Auto für höchstens 2 Stunden in die Werkstatt geben möchte, ansonsten sucht er sich eine andere Werkstatt. Ich bin in dem Vergleich der Automechaniker, der sagt: Wenn das Auto auf der Hebebühne ganz nach oben gefahren ist, damit ein Automechaniker den Auspuff wechselt, könnte ein zweiter Automechaniker gleichzeitig des Motoröl wechseln. Es ist aber nicht möglich, dass gleichzeitig in dritter Mechaniker die Zündkerzen wechselt, da man nicht an die Zündkerzen herankommt, wenn das Auto auf der Hebebühne ganz nach oben gefahren ist. Deshalb könnte man, wenn alles optimal läuft, die Inspektion in 4 Stunden durchziehen. Mein Gruppenleiter ist der, der sagt: machen wir doch einen Kompromiss und sagen 3 Stunden. Mein Abteilungsleiter verkauft dem Kunden dann 2 Stunden.
Als ich meinen Abteilungsleiter einmal persönlich darauf angesprochen habe, dass der Terminplan nicht zu machen ist, hat er nur gemeint: Lass uns erst einmal den Auftrag bekommen, dann können wir den Termin immernoch verschieben.
Bei diesem Kunden habe ich schon längere Zeit Vor-Ort gearbeitet. Es kam einmal vor, dass ein Mitarbeiter des Kunden zu mir sagte: Sie haben doch vor zwei Monaten ein Programm für meine Abteilung fertig gestellt. Mit diesem Programm bin ich auch sehr zufrieden. Nur hat sich bei der täglichen Benutzung herausgestellt, dass mir eine Funktion fehlt, die mir sehr hilfreich wäre. Könnten Sie bitte diese Funktion noch einbauen? Eigentlich war dieses Projekt für mich schon vorbei, doch war mir bewußt, dass der Mitarbeiter diese Programmfunktion dringend benötigt. Deshalb habe ich diese Funktion einfach mal so nebenbei eingebaut, ohne mir groß Gedanken darüber zu machen, wie ich die zwei Stunden Aufwand in Rechnung stellen kann. Wenn der Programmnutzer den gleichen Wunsch aber nicht an mich, sondern an einen Mitarbeiter der IT-Abteilung des Kunden herangetragen hätte, wäre die Antwort wie folgt gewesen: Füllen Sie erst einmal einen Auftrag zu Beantragung eines Kleinauftrages aus. Dieser Kleinauftrag wird dann auf einen Aufwand von zwei Tagen geschätzt und landet auf einem Stapel, auf dem schon fünfzig andere Kleinauftrags-Anträge liegen. Frühestens in einem halben Jahr hat jemand Zeit, diesen Stapel abzuarbeiten.
Diese Organisation der IT-Abteilung hat dem IT-Abteilungsleiter Kritik eingebracht. Der IT-Abteilungsleiter des Kunden hat darauf aber eine elegante Antwort gefunden: Die Ursache dieser Probleme liegt nicht an der Organisation der Abteilung, sondern daran, dass wir eine veraltete Technologie einsetzen. Wir planen, demnächst auf eine neue Technologie zu migrieren. Solche "Ausreden" haben dazu geführt, dass der Kunde erwartet hat, dass nach der Migration auf die neue Technologie alles besser wird. Mein Abteilungsleiter hat also gesagt: Jemand muss ein paar Folien machen, in denen wir sagen, warum mit der neuesten Technologie alles besser wird. Ich habe gesagt, dass das Problem ein organisatorisches Problem des Kunden ist, was sich durch eine neuere Technologie nicht ändert. Ich könnte zwar durch Googlen ein paar Marketing-Bullshit-Sätze zusammensuchen und diese auf eine Folie packen, doch könnte ich nie die Folie flüssig vortragen, weil ich genau wüsste, dass alles nur Marketing-Unsinn ist. Ein Kollege von mir hatte dagegen keine Probleme, ein paar PowerPoint-Folien mit Marketing-Bla-Bla und leeren Versprechungen zu produzieren. Darum bittet mich mein Abteilungsleiter nie, PowerPoint-Folien für ihn zu machen.
Mein Abteilungsleiter hat bei der Angebotserstellung immer davon geträumt, einen genialen Trick zu finden, damit die Migration der bestehenden Anwendungen ganz einfach ist. Am besten wäre es, man könnte das Tischtuch so schnell wegziehen und ein neues Tischtuch unterschieben, dass die Gläser auf dem Tisch nicht umfallen. Ich habe meinem Abteilungsleiter gesagt, dass dieser Trick leider nicht funktionieren wird, sondern alle Anwendungen neu entwickelt werden müssen, da die bestehenden Anwendungen zu stark mit der alten Technologie verzahnt sind. Als mein Abteilungsleiter mich das dritte Mal gefragt hat, ob es nicht doch eine Möglichkeit gäbe, wusste ich irgendwann nicht mehr, was ich noch sagen soll außer ständig zu wiederholen: es geht aus technischen Gründen nicht. Da mein Abteilungsleiter mir nicht geglaubt hat, wurde ein zweiter Kollege hinzugezogen, der einen Weg finden sollte, diesen Trick zu vollbringen. Nachdem ich mit diesem Kollegen den Quelltext der Anwendungen durchgegangen ist, ist dieser Kollege zu dem gleichen Ergebnis wie ich gekommen. Auch ein dritter Kollege kam zum gleichen Ergebnis. Nach dem Abschluss des Ausschreibungsverfahrens - das wir leider nicht gewonnen haben - sagt der Abteilungsleiter in die Runde: Der Kunde hat uns das Feedback gegeben, dass wir der einzige Anbieter waren, der vorgeschlagen hat, den Programmtext in Teilen zu erhalten; alle anderen Anbieter haben erkannt, dass die Anwendung komplett neu entwickelt werden müssen. Ich war sprachlos. Das habe ich meinem Abteilungsleiter ständig gesagt, und er hat dem Kunden dennoch etwas anderes erzählt. Und jetzt tut er so, als wäre jemand anderes als er selbst daran schuld.
Nachtrag: Einmal im Monat habe ich das Internet-Portal des Kunden aufgerufen, um zu prüfen, wie weit die Migration fortgeschritten ist. Der Kunde wollte, dass die Migration innerhalb eines Jahres erfolgt. Nach zwei Jahren und eineinhalb Monaten war die erste Version der Internetseite mit der neuen Technologie sichtbar. Dafür, dass ich mein Unternehmen davor bewahrt habe, ein nicht einhaltbares Angebot abzugeben, habe ich keinen Dank zu erwarten.