Sonntag, 23. Dezember 2012
Entwicklungshilfe in Jemen
Auf Arte wurde kürzlich eine Geo-Reportage über Jemen ausgestrahlt. Das Kamerateam hat dabei Entwicklungshelfer bei ihrem Einsatz für ein jemenitisches Bergdorf begleitet. Die vierhundert Einwohner in diesem Bergdorf haben dort noch wie vor tausenden von Jahren gelebt. Um diesen Menschen zu helfen, haben die Entwicklungshelfer in diesem abgeschiedenen Bergdorf ein Wasserwerk und ein dieselgetriebenen Stromgenerator installiert.

Vor der Inbetriebnahme des Stromgenerators ist aber ein Problem aufgetaucht: Der Dorfscheich hat die Inbetriebnahme verboten, weil die Hütte mit dem Generator auf seinem Grundstück steht. Vor dem Bau dieser Hütte haben sich die Entwicklungshelfer schriftlich zusichern lassen, dass das Grundstück, also ein paar Quadratmeter ausgetrockneter Boden in mitten einer staubigen Ödnis, kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Um das Problem zu klären, macht sich der Entwicklungshelfer zusammen mit zwei Ingenieuren auf, fünf Stunden mit dem Geländewagen in das Bergdorf zu fahren. Bei der abendlichen Unterredung zieht der Dorfscheich eine riesige Show ab, nach einer zweistündigen hitzigen Diskussion denkt man, dass der Dorfscheich gleich einen großen Dolch aus dem Gürtel zieht. Die Forderung des Scheichs ist, dass er die Macht über den Stromgenerator bekommt. Man schenkt dem Bergdorf also einen Stromgenerator, und muss dann noch den Scheich bestechen, damit der Stromgenerator angeschaltet werden darf.

Auf der Tonspur erfährt der Zuschauer, dass das Bergdorf vom Kath-Anbau lebt. Mit dem Kath-Anbau verdient ein Bauer fünfzehnmal so viel wie mit dem Anbau von Gemüse. Ein Kath-Strauch benötigt aber Unmengen von Wasser. Bilder von den Kath-Plantagen oder Bilder von den ständig Kath-kauenden Menschen sieht man aber nicht. Das Kamerateam hat nämlich einen Aufpasser zur Seite gestellt bekommen, welcher dafür sorgt, dass nur gewünschte Bilder aufgenommen werden. Ironischerweise kaut der Aufpasser selbst ständig Kath.

Kath wird als eine sehr schlechte Droge eingestuft. Mit dem Haschisch-Anbau in Marokko haben viele Leute überhaupt kein Problem, doch die Droge Kath wirklich von Jedem als negativ erachtet. Die Arte-Dokumentation verrät auch, warum das jemenitische Regime nichts gegen den Kath-Anbau unternimmt: in anderen Ländern wäre ein solches Regime längst durch einen arabischen Frühling gestürzt worden. In Jemen sind Alle aber am Nachmittag vom Kath zu gedröhnt und bekommen nichts mehr auf die Reihe, auch keine Demonstrationen gegen das Regime. Deshalb duldet das Regime den Kath-Anbau. Die Entwicklungshelfer bohren also Brunnen, um eine gefährliche Droge anzubauen und das Regime zu stützen.

Jemen hat das Problem, dass der Grundwasserspiegel ständig sinkt. Deshalb wurde der Bau neuer Brunnen zum Kath-Anbau verboten. Genau das haben die Entwicklungshelfer getan. Die Entwicklungshelfer meinen wohl, sie wären etwas Besseres und stehen über den Gesetzen. Den Gedanke, dass man von den wohlgemeinten Spendengeldern für die Entwicklungshilfe illegale Brunnen bohrt, finde ich erschreckend.

Der Lebensstil dieser Bergdorfbewohner hat sich in den letzten tausend Jahren kaum verändert, sie wohnen immer noch in den gleichen Hütten. Jetzt sind die Entwicklungshelfer gekommen und haben dieselgetriebene Pumpen installiert. Wenn in dreißig Jahren das Öl alle ist, werden die Dorfbewohner ein Problem haben, da sie mittlerweile vom Öl abhängig geworden sind. Ein dreißig Jahren werden die Dorfbewohner auch kein Grundwasser mehr finden, weil die Dieselpumpen schon alles abgepumpt haben. Deshalb müssen die Dorfbewohner in dreißig Jahren aufgrund des fehlenden Grundwassers das Dorf verlassen und in eines der Slums rund um eine Großstadt ziehen, welche aus dem Boden sprießen werden. Die Entwicklungshelfer werden mitgeholfen haben, eine seit Jahrtausenden bewährte Lebensweise vernichtet zu haben. Nachhaltigkeit sieht anders aus.