Donnerstag, 13. Juli 2017
Fake-Bürgerbeteiligung
Die Oberbürgermeisterin meiner Stadt wurde vor knapp acht Jahren auch deshalb gewählt, weil sie versprochen hat, für mehr Bürgerbeteiligung zu sorgen. Dieses Image hat aber schwer gelitten, als sie letztes Jahr verkündet hat, dass in meinem Ortsteil ein Gebäude errichtet wird, in dem für die nächsten 30 Jahre 200 Flüchtlinge untergebracht werden. Die Bauplanung wurde ein halbes Jahr lang in aller Heimlichkeit betrieben, so dass der Bürger am Ende vor vollendete, alternativlose Tatsachen gestellt wurde. Der Begriff Bürgerinformation hätte in diesem Fall bedeutet, dass man den Bürger schon ein halbes Jahr vorher informiert hätte, als die Planung begonnen hat, und nicht erst dann, wenn die Bauplanung abgeschlossen ist und der Kaufvertrag für das Grundstück unterschriftsreif ist. Der Begriff Bürgerbeteiligung ist noch umfassender: er bedeutet, dass man den Bürger nicht nur informiert, sondern ihm auch alternative Vorschläge macht. Die Alternative zu diesem großen Zentralbau wäre gewesen, drei kleinere Gebäude für je 70 Flüchtlinge zu bauen, und diese Gebäude gleichmäßig auf alle Ortsteile zu verteilen, anstatt alle Flüchtlinge nur in dem Ortsteil zu konzentrieren, der bevölkerungsmäßig nur ein Zehntel der Gesamtstadt ausmacht. Dann hätte man dem Bürger befragen können, welche der Alternativen ihm lieber sind: die Gefahr eine Ghetto-Bildung oder ein paar Millionen Euro mehr Kosten für den Steuerzahler. Am Ende wurde die Flüchtlingsunterkunft doch nicht gebaut, weil der Landkreis die Planzahlen reduziert hat, aber das Image der Oberbürgermeisterin hat dadurch dauerhaft gelitten.

Aktuell bewirbt sich die Oberbürgermeisterin für eine zweite Amtszeit, um muss ihr schlechtes Image bezüglich Bürgerbeteiligung wieder aufpolieren. Aus diesem Grund wurden Ortsteil-Dialoge gestartet. Die lokale Jubelpresse berichtet ganz begeistert davon, wie sich die Oberbürgermeisterin die Vorschläge der Bürger anhört. Ich selbst kann die Begeisterung nicht teilen, weil mich die diskutierten Vorschläge nicht überzeugen. Ein Thema in meinem Ortsteil war der Bau einer Lärmschutzwand. Dieses Thema gibt es schon, seit dem vor dreißig Jahren das Baugebiet in 500 Metern Entfernung zur Autobahn erschlossen wurde. Genauso lange sagt der Bund, welcher für den Bau der Lärmschutzwand zuständig wäre, dass keine Lärmschutzwand gebaut wird. Einer der Gründe ist, dass eine Lärmschutzwand an dieser Stelle nichts bringen würde, weil der Lärm einfach über die Lärmschutzwand drüber gehen und nach mehreren hundert Metern wieder absinken würde, so dass die Wirkung der Lärmschutzwand nach 500 Metern verpufft ist. Jetzt nochmal die alte Diskussion über die Lärmschutzwand wieder aufzuwärmen halte ich nicht für hilfreich. Das zweite Thema beim Bürgerdialog war der Bau eines Cafes neben des Friedhofs. Die Begründung dafür war, dass man ja oft beim Friedhof ist, dort jemanden trifft und ein Gespräch beginnt, und es dann schön wäre, wenn es ein Cafe neben dem Friedhof geben würde, wo man das Gespräch dann fortsetzen könnte. Ich wage mal die Prognose, dass das Cafe spätestens nach einem Jahr Pleite wäre, weil die örtliche Bevölkerung zu geizig ist und den Cafe lieber zuhause trinkt.
An dem Vorschlag des Cafes neben dem Friedhof erkennt man, dass an diesem Bürgerdialog nur Rentner und Hausfrauen teilgenommen haben. Welcher Berufstätige würde auch einen halben Tag Urlaub nehmen, um Freitags von 13:00 Uhr bis 22:00 Uhr solche Vorschläge mit lauter Rentnern und Hausfrauen auszudiskutieren? Die Oberbürgermeisterin und die Presse hat übrigens auch nicht so viel Zeit investiert. Der ganze Dialog wurde von einer externen Firma veranstaltet, die vermutlich auch dafür mit Steuergeldern entlohnt wurde, und die Oberbürgermeisterin kam nur zu halbstündigen Abschlusspräsentation und zum Fototermin mit der Presse. Da bin ich ja wirklich froh, dass ich keinen halben Tag Urlaub geopfert habe, um als Statist an einer solchen Fake-Bürgerbeteiligung mitzuspielen.