Freitag, 11. April 2025
Was für eine Arbeitswoche - Teil 2: Double digit growth
Diese Woche hat das Produktmanagement Team meiner Abteilung ihre übliche quartalsmäßige Präsentation gehalten. Sie waren ganz stolz darauf, gleich zweimal "double digit growth" verkünden zu können. Der Umsatz ist innerhalb eines Jahres um 10 Prozent gestiegen und liegt unternehmensweit bei über einer Milliarde Euro, und der Gewinn ist um weit mehr als 10 Prozent gestiegen.
Von den ca. 15 Teilnehmern dieser Meetingrunde eines Softwareunternehmens waren nur 5 Teilnehmer Softwareentwickler. Der Overhead an Produktmanagern, Commercials, Projektmanagern, QA, und Führungskräften ist in den letzten Jahren stark gestiegen.

Am nächsten Tag habe ich meinen Chef beiläufig gefragt, wie denn dieses Jahr das Wachstum beim Gehalt ausfallen wird. In den letzten 5 Jahren hatte ich einen Reallohnverlust von über 10 Prozent gehabt, weil die hohe Inflationsrate nicht annähernd durch eine nominelle Gehaltsanpassung ausgeglichen wurde. Mein Chef hat mir daraufhin wenig Hoffnung gemacht: Für die aktuelle Ausschreibung einer offenen Stelle sind 100 Bewerbungen eingegangen. Da sieht doch der Vorstand keinen Bedarf, den schon fest angestellten Mitarbeitern eine Gehaltserhöhung zu geben.

Mein Chef hat auch gesagt, dass das Gehalt nicht mehr nach Leistung bestimmt wird, sondern nach Jobtitel. Dazu muss ich erwähnen, dass es gerade eine Umstellung der Job-Profile und Jobtitel gab, und jetzt mein Job-Titel als 50-jähriger Senior Software Developer eine Gehaltsklasse unter der 28-jährigen Senior Diversity Managerin und auch eine Gehaltsklasse unter der Senior Projektmanagerin liegt. Wenn im Jobtitel "Manager" vorkommt, ist die Gehaltsklasse automatisch eine Stufe höher.

Wer Dilbert kennt: Früher gab es in den Dilbert-Comics die Sekretärin Carol, die vermutlich weniger verdient hat als die Ingenieure. Die Dilbert-Comis sind mittlerweile veraltet - heute hätte sie den Job-Titel "Senior Project Managerin" und würde mehr verdienen als die Ingenieure, und es würde noch eine weitere weibliche Mitarbeiterin mit dem Titel "Senior Diversity Manager" geben.

Wenn des Gehalt nicht mehr durch die Leistung bestimmt wird, sondern durch den Job-Titel, zerstört das die Motivation komplett.