Dienstag, 11. Juni 2013
Viel Schnee im Kaisergebirge
In der ersten Juniwoche war ich im Kaisergebirge wandern.

1. Tag: Anreise und Aufstieg zur Kaindlhütte
Der Aufstieg von Kufstein zur Kaindlhütte kann seit diesem Jahr leider nicht mehr mit dem Kaiserlift abgekürzt werden, da die Betriebserlaubnis dieses Lifts erloschen ist und ein Neubau unrentabel wäre. Deshalb musste ich die 700 Höhenmeter bei Regen zu Fuß zurücklegen. Der von mir gewählte Anstieg über Forstwege ist unromantisch, doch bei Regen fällt dies nicht so auf.

2. Tag: Wanderung über den Gamskogel zum Weinbrennerhaus und wieder zurück zur Kaindlhütte
Für diesen Tag waren Regenfälle angesagt. Glücklicherweise habe ich trotz dieser schlechten Wetterprognose meine Anreise nicht verschoben, dann an diesem Tag waren mehrere Teilstücke der Autobahn aufgrund Überschwemmungen gesperrt.
Mein Weg hat mich über den Gamskogel zum Weinbergerhaus geführt. Für den Rückweg wollte ich eigentlich den Forstweg nehmen. Doch ein einer Stelle war der Forstweg von einem Bach weggespült, und der Weg nicht nur durch den Bach, sondern einen zwei Meter breiten Sumpf blockiert. Deshalb musste ich wieder umkehren und über den Gamskogel zurück zur Kaindlhütte. Insgesamt war dies eine schöne Wanderung, bei der ich dank guter Goretex-Jacke und Goretex-Überhose so gut wie trocken geblieben bin.
Der Hüttenwirt der Kaindlhütte hatte gerade Stress: der Forstweg als seine einzige Versorgungsmöglichkeit war weggespült, und ein Ecke im Erdgeschoss musste ständig leergepumpt werden. Ich hatte den Hüttenwirt auch einmal erlebt, als er sich zu Anfang der Saison selbst über den von der Kaindlhütte schon zu sehenden Sonnenuntergang freut, und auf der Terrasse Gitarre spielt.

3. Tag: Versuch von Scheffauer und Zettenkaiser, danach über den Bettlersteig zur Kaindlhütte
Diese Wanderwoche habe ich genau geplant. Dazu habe ich mir meine alten Bilder vom Kaisergebirge angeschaut, die ich Ende Mai bzw. Anfang Juni aufgenommen habe. In einem Jahr war Ende Mai alles schneefrei, in einem anderen Jahr gab es Anfang Juni ein paar Schneefelder. Ich habe genau geprüft, wie es sein konnte, dass es in einem Jahr Anfang Juni mehr Schnee gibt als in einem anderen Jahr Ende Mai. Der Unterschied war, dass das im ersten Jahr im Winter doppelt so viele Niederschläge gab wie im Durchschnitt. Nachdem ich diese Bilder verglichen habe und der Statistik entnommen habe, dass die Niederschlagsmenge im vorherigen Winter durchschnittlich war, bin ich nach der Sichtung aller Bilder und der Prüfung der Statistiken über die Niederschlagsmengen zum Schluss gekommen, dass alle Touren möglich sein sollten.
Für diesen Tag stand auf dem Plan, von der Kaindlhütte aus über den Klettersteig auf den Scheffauer zu gehen, die Hackenköpfe zu überschreiten, und danach zur Gruttenhütte abzusteigen.
Der Aufstieg zum Scheffauer (2111 hm) ist schon bei der Hirschlake auf 1520 Höhenmeter gestoppt worden:



Der Vollständigkeit halber wollte ich dann noch wenigstens den Zettenkaiser (1968 hm) probieren. Der Zettenkaiser ist immerhin niedriger und einfacher. Um auf den Zettenkaiser zu kommen, muss man an der folgenden Kreuzung nicht links zum Scheffauer abbiegen, sondern rechts:



Ab dieser Stelle habe ich mich noch eine Stunde weiter gekämpft, an einem Steilstück am Ende des Großen Friedhofs war dann aber endgültig Schluss. Unter dem 50 Zentimeter hohen Schnee fanden meine Füße keinen Tritt mehr auf dem steilen Wiesenhang und ich bin immer wieder zurück gerutscht.
Da ich die Überschreitung zur Gruttenhütte nicht geschafft habe, musste ich zum Hans-Berger-Haus. Das mir bekannte Hüttenpersonal hat mich gleich gefragt: wo sind die Spargel geblieben? Da gerade Spargelsaison ist und ich aus einem Spargelanbaugebiet komme, hätte ich doch welchen mitbringen können. Meine Antwort darauf war, dass ich ja nicht wusste, dass ich im Hans-Berger-Haus lande.

4. Tag: Stripsenkopf
An diesem Tag wollte ich über das Elmauer Tor zur Gruttenhütte wechseln. Nach eineinhalb Stunden Aufstieg war ich am Stripsenjochhaus:



Dort habe ich gesehen, dass es noch keine Spuren vom Stripsenjochhaus zum Stripsenkopf gibt, und dort 30 Zentimeter Neuschnee liegen. Wenn der Stripsenkopf nicht geht, geht das Elmauer Tor erst recht nicht. Außerdem war die Aussicht, als erster auf den Stripsenkopf zu Spuren, zu verlockend. Also bin ich zum Stripsenkopf hoch.
Kurz unterhalb des Stripsenkopfes muss man auf dem Sommerweg einen steilen Wiesenhang queren. In diesem steilen Hang konnte man schon ein paar kleine Schneerutsche sehen, weshalb ich den Hang nicht queren wollte. Auf dem folgenden Bild sieht man den Stripsenkopf in der Bildmitte – der Sommerweg quert diesen Hang:



Glücklicherweise war ich wohl nicht der erste, der bei winterlichen Bedingungen auf den Stripsenkopf möchte. Genau in dem Moment, als ich umkehren wollte, habe ich den Wintersteig gefunden. Der muss neu sein:



So habe ich es dann doch noch auf den Stripsenkopf geschafft. Auf dem Wanderwegweiser ist eine Aufstiegszeit von 35 Minuten angegeben, ich habe 60 Minuten dafür benötigt.
Am Nachmittag bin ich dann unangemeldet wieder am Hans-Berger-Haus angekommen.

5. Tag: Steinerne Rinne
Nach dem Gipfelsieg am Stripsenkopf wollte ich über die steinerne Rinne zur Gruttenhütte. Also habe ich mich wieder vom Hans-Berger-Haus verabschiedet und bin los.
In der steinernen Rinne muss das Schneefeld queren, welches man auf dem folgenden Bild in der Bildmitte sieht:



Das Schneefeld kann nicht umklettert werden, da es von senkrechten Felsen begrenzt wird.
Auf diesem Schneefeld hatte ich schon 50 Meter zurückgelegt, bis das rettende Drahtseil auf der anderen Seite war nur noch 10 Meter entfernt war. Das Schneefeld ist aber immer schlimmer geworden. Die letzten 10 Meter bestanden aus hartem Altschnee, der so fest war, dass man mit Wanderstiefeln keinen Tritt reinbekam. Am Anfang hatte das Schneefeld eine Auslaufzone, die letzten 10 Meter des Schneefels sind aber ein eine steile Rinne abgedriftet. Die letzten 10 Meter sind auch immer steiler geworden, 38 Grad habe ich gemessen. So habe ich dann nach eineinhalb Stunden in der steinernen Rinne den Umkehrpunkt erreicht.



In dieser Woche war ein Ausbildungskurs zum staatlich geprüften Bergwanderführer auf dem Hans-Berger-Haus. Die Ausbilder haben darauf geachtet, mit ihren Anwärtern immer unterhalb der Schneegrenze zu bleiben. Ich hätte dagegen diesen Anwärtern die folgende Aufgabe als Abschlussprüfung gestellt: auf einem Wanderwegweiser habe ich gelesen, dass man in dreieinhalb Stunden auf das Sonneck wandern kann; ich will da hoch. Wer als Wanderführer mit seiner Gruppe nicht rechtzeitig umkehrt wird durchfallen gelassen. Umkehren muss man können!
Ich selbst hatte mir in dieser Wanderwoche zur Regel gesetzt, dass ich auf meiner Tagestour sofort umdrehe, wenn ich das erste Mal ausrutschen sollte. Ich wollte natürlich nicht wegen eines läppischen Ausrutschers eine Tour abbrechen müssen. Also bin ich so sorgfältig gegangen, dass man Fuß in der ganzen Woche kein einziges Mal weggerutscht ist.
Nach der Umkehr in der steinernen Rinne blieb genug Zeit, um auf der Sonnenterasse des Stripsenjochhauses einen Mohr im Hemd genießen zu können. Ich war noch der einzige Gast. Die Hüttenwirtin hat mir begeistert erzählt, wie sie mit dem Fernglas verfolgt hat, wie ich auf dem Steig von einer Gämse verfolgt wurde. Schade, dass ich diese Gämse hinter mir nicht bemerkt habe, ich habe nur gesehen, wie zu Anfang des Steiges ein paar Gämsen vor mir waren:



Bei dieser Gelegenheit habe ich gleich eine Übernachtung auf dem Stripsenjochhaus für überübermorgen (Samstag auf Sonntag) reserviert, da an diesem Tag das Hans-Berger-Haus auf jeden Fall ausgebucht ist.

6. Tag: Rote Rinnscharte
Auch wenn man über die steinerne Rinne nicht zur Gruttenhütte kommt, geht die Rote Rinnscharte immer. So habe ich mich vom Hans-Berger-Haus verabschiedet und mich auf den Weg gemacht, um über die Rote Rinnscharte zur Gruttenhütte zu gehen.
Von unten sieht die Schneelage in der Roten Rinnscharte ja noch harmlos aus:



Das ändert sich aber, sobald man den nächsten Steilaufschwung genommen hat:



Auf den Berghütten habe ich ein paar Mal gegenüber den anderen Gästen erwähnt, dass ich zwei Stunden lang durch knietiefen Schnee gelaufen bin. Manchmal bin ich ungläubig angeschaut worden und dann wurde schnell das Thema gewechselt. Von unten kann man sich überhaupt nicht vorstellen, wie viel Schnee oben noch vorhanden ist.
Einmal bin ich in der ersten Juniwoche den Kaiserschützensteig gegangen. In Jahr 2013 ist sogar der Pfeil, der auf den Einstieg des Kaiserschützensteiges weist, eingeschneit. Abends bin ich grübelnd im Bett gelegen und habe überlegt, was mit meiner Tourenplanung nicht gestimmt hat. Ich habe doch so genau die früheren Touren und Bilder von Anfang Juni gesichtet und die Statistik mit den Niederschlagsmengen im Winter berücksichtigt. Es gibt nur eine Erklärung für diesen Prognosefehler: der Frühling 2013 war so mies und trüb, dass kaum Schnee weggeschmolzen ist. Da sieht man mal, wie mies der Frühling 2013 war.
Nach dem normalen Anstieg habe ich mich noch drei Stunden durch den tiefen Schnee gewühlt, bis ich die Rote Rinnscharte erreicht habe. Beim Aufstieg zur Roten Rinnscharte bin ich von drei Annahmen ausgegangen. Der Aufstieg zur Roten Rinnscharte führt durch ein nördlich ausgerichtetes Schneeloch, wohingegen der Abstieg zur Gruttenhütte auf der anderen Seite nach Süden ausgerichtet ist. Deshalb bin ich davon ausgegangen, dass auf der anderen Seite der Scharte kein Schnee liegt. Diese Annahme war falsch, denn es war kein Unterschied in der Schneemenge zu erkennen. Meine zweite Hoffnung war, dass schon jemand von der anderen Seite zur Scharte hochgespurt hat, und ich einfach diesen Spuren folgen konnte. Auf der anderen Seite war aber auch schon seit Tagen niemand gewesen. Mein dritter Plan war, dann einfach den Wanderweg zur Gruttenhütte selbst zu spuren. Im Sommer bin ich schon einmal von der Gruttenhütte zur Roten Rinnscharte hoch. Von damals hatte ich noch in Erinnerung, dass dieser Weg ein einfacher Wanderweg ist. Dummerweise habe ich den Wanderweg auf den ersten Blick nicht erkennen können, und auf den zweiten Blick habe ich nur gesehen, wie ein paar Drahtseile aus dem Schnee herausschauen:



Manchmal wundert sich man im Sommer, warum jemand neben diesem einfachen Wanderweg ein Drahtseil angebracht hat, im Winter sieht der Weg dann plötzlich ganz anders aus.
Auf der Südseite hat mich beunruhigt, dass dort schon der Schnee ins Rutschen kommt. Deshalb habe ich mich schnellstens auf den Rückweg gemacht und bin die vielen Höhenmeter, die ich vorher stundenlang aufgestiegen bin, in zehn Minuten wieder runter gerutscht. Erst danach, kurz nach elf Uhr, habe ich mir eine lange Pause auf dem Scharlinger Boden gegönnt. Um Nasschneelawinen zu vermeiden, war ich möglichst früh morgens unterwegs, da Nassschneelawinen normalerweise nur durch die nachmittagliche Erwärmung und Sonnenstrahlen verursacht werden. Weiterhin habe ich mich nur im Schatten bewegt, da bei den sonnenbeschienenen Wänden gelegentlich lockerer Schnee runterrutscht, welcher eventuell ein paar Steine mitnimmt.

7. Tag: Sonneck
Für den heutigen Tag hatte ich geplant, zur Vorderkaiserfeldenhütte zu wechseln. Diese Hütte ist ohne Schneeberührung in vier bis fünf Stunden vom Hans-Berger-Haus erreichbar. Da dies kein tagfüllendes Programm ist, wollte ich vormittags noch kurz ein Stückchen Richtung Sonneck hoch, um später wieder umzudrehen.
Der Wanderweg zum Sonneck hat eine witzige Wegmarkierung, die man nicht wie ein normales Schild einfach in eine andere Richtung drehen kann:



Leider bleibt der Weg nicht lange schneefrei. Sobald man um eine Ecke quert, sieht man eine Schneerinne. Das folgende Bild zeigt einen Rückblick auf diese Querung, bei einem Blick nach vorne würde man keine Spuren sehen:



Nach der Ecke sieht man die Schneerinne und das Sonneck:



Der Weg zum Sonneck ist in diesem Schnee ohne sichtbare Wegmarkierungen schwierig zu finden. Man muss schon einmal im Sommer da gewesen sein, um zu wissen, dass man erst ganz auf der linken Seite das Schneefeld hoch gehen muss, um dann nach einem steilen Stück im Schnee eine bestimmte Stelle im Fels zu erwischen, wo der Weg dann weiter geht.
Das Spuren im Schnee hat Spaß gemacht. Es macht viel Freude, als Erster über den unberührten Schnee gehen zu dürfen.
Nach zwei Stunden im Schnee wollte ich umdrehen. Doch mir kam der folgende Gedanke: eventuell wird die nächsten Tage jemand den Kufsteiner Klettersteig gehen. Dieser Klettersteig endet beim Gamskarköpfle – einem Vorgipfel des Sonneck. Der Kufsteiner Klettersteig selbst ist ja schneefrei, da der Fels steil ist und sonnig liegt. Dieser Klettersteiggeher könnte dann ein ernsthaftes Problem mit dem Abstieg bekommen. Ein Rückzug über den gleichen Weg, nämlich den Kufsteiner Klettersteig, ist ausgeschlossen, da dieser Klettersteig einige sehr steile Stellen hat. Und den üblichen Abstiegsweg über den Wanderweg kann man im Schnee nur finden, wenn man den Weg schon einmal gegangen ist. Ansonsten kann man nur schwer herausfinden, an welcher Stelle man von dem unverspurten Schneefeld in das Felsband wechseln muss. Deshalb habe ich mich noch eine weitere Stunde bis Gamskarköpfle durch den Schnee gewühlt.
Beim Eintrag in das Gipfelbuch des Gamskarköpfle habe ich festgestellt, dass ich dieses Jahr erst der Dritte bin, der sich in das Gipfelbuch einträgt. Die zwei anderen Gruppen haben sich Anfang Mai eingetragen, also noch vor den erneuten Schneefällen.
Durch die Spurarbeit zum Gamskarköpfle habe ich mehr Zeit verloren als geplant. Weiterhin ist mir beim Spuren so viel Schnee oben in die Schuhe gefallen, dass ich danach die Socken auswringen konnte. Auch ein Wechsel der Socken hat nicht viel geholfen, da die neuen Socken sofort wieder die Feuchtigkeit in den Schuhen aufnehmen. Mit solch nassen Füßen wollte ich nicht mehr weiter zur Vorderkaiserfeldenhütte laufen, und habe mich deshalb für den kürzeren Weg zum Hans-Berger-Haus entschieden. Nun bin ich schon zum vierten Mal in Folge vom Hans-Berger-Haus losgelaufen, und ungeplant wieder zurückgekommen. Ich wusste nicht mehr, was für eine Begründung ich auf der Hütte dafür erzählen soll. Es wurde schon zu einem Running Gag, dass ich mich jeden Morgen von dem Hans-Berger-Haus verabschiede, und dann doch dort wieder lande.

8. Tag: Pyramidenspitze und Stripsenjochhaus
Beim Aufstieg zur Pyramidenspitze (1990 hm) beginnt die Schneegrenze bei 1500 Höhenmetern:



Dies ist erstaunlich, da dieser Aufstiegsweg durch einen Südhang führt und nun schon seit fünf Tagen die Sonne scheint.
Zu Anfang des Weges kann man noch die Spuren des Wanderweges erkennen, später verdeckt der Schnee alle Wegspuren. Die einzigen Spuren, die man während des ganzen Aufstiegs findet, sind die von Gämsen:



Die Gämsen sind aber auch nicht dumm. Die wissen, dass man nicht durch Geländemulden geht, wo sich der Schnee hüfthoch ansammelt.
Während des Aufstieges muss ich mich fragen, welche der vielen Buckel nun denn die Pyramidenspitze ist.



Ich muss ziemlich genau geraten haben, denn die Pyramidenspitze erreiche ich mit einer konstanten Steigung und ohne Höhenverluste:



Zu meiner Enttäuschung bin ich nicht der Erste am Gipfel. Da die Anderen schon auf der Vorderkaiserfeldenhütte (1380 hm) gestartet sind, mussten sie nicht nur halb so viel Höhenmeter machen wie ich, sondern konnte ich über den fast schneefreien Bergrücken gehen, während ich durch den hohen Schnee musste. Obwohl seit Tagen niemand mehr auf der Pyramidenspitze war, sind heute mehrere Gruppen auf dem Gipfel – dies hätte ich an einem Samstag aber auch nicht anders erwartet.
Es gibt zwei Aufstiegswege auf die Pyramidenspitze: entweder den von mir genommenen Weg über den von Hinterbärenbad aus über den Südhang, oder von der Vorderkaiserfeldenhütte aus über den Bergrücken. Die Wanderer, die von der Vorderkaiserfeldenhütte gestartet sind, wollen in der Regel zum Stripsenjochhaus weiter und haben die Pyramidenspitze als Zusatzgipfel mitgenommen. Deshalb führen alle Abstiegswege durch den Südhang. Dieser Abstiegsweg kann zu einer Falle werden: den ersten paar hundert Höhenmeter Abstieg kann man beliebig über die tief verschneiten Wiesenhänge gehen. Doch danach kommt steileres Gelände, Felsabbrüche und dicht gewachsene, schwer durchdringliche Latschenkiefernfelder. Man muss also beim Abstieg genau unten den Wanderweg als einzig möglichen Durchschlupf erwischen, und hat oben aufgrund des hohen Schnees überhaupt keinen Anhaltspunkt, wo dieser Ausweg sein könnte. Da mir diese Gefahr bewusst war, habe ich neben meine Aufstiegsspuren öfters mit den Wanderstöcken ein Zeichen in den Schnee gemacht, damit ich meine Spuren von den Spuren der Samstags zu erwartenden anderen Wanderern unterscheiden kann.
Fünf Tage vorher gab es schon einmal ein Einsatz der Bergretter im Kaisergebirge, weil Wanderer den Weg im Schnee nicht gefunden haben. Diese Wanderer wollten nur den Höhenweg von der Vorderkaiserfeldenhütte zum Stripsenjochhaus gehen. Die Wanderer sind aber zu spät losgegangen, haben an einem höheren Punkt des Weges mit dem Schnee zu kämpfen gehabt und waren danach vollkommen erschöpft. Bei Einbruch der Dunkelheit haben sie dann die Bergrettung gerufen.
Der hohe Schnee auf meinem Aufstiegsweg ist auch der Grund dafür, warum nur bei mir Schnee von oben in die Bergstiefel gefallen ist und ich deshalb meine Socken wechseln musste. Ein anderer Wanderer am Gipfel hat losgelegt: „Ich habe die besten Schuhe die es überhaupt gibt, die können alles und die werden nie nass. Der reguläre Ladenpreis für diese steigeisenfeste Schuhe liegt bei 400 Euro, doch bei ebay habe ich die Schuhe für nur 300 Euro bekommen.“ Dieser Wanderer hatte als Einziger eine teure Hochtourenhose, während alle anderen mit normalen Wanderhosen bekleidet waren. Dieser Angeber ist zusammen mit seinem Tourenpartner als Erster vom Gipfel losgelaufen und hat den Abstieg begonnen. Eigentlich wollte ich genau meinem Aufstiegsspuren folgen, um mich nicht zu verlaufen. Meine Aufstiegsspuren kamen 50 Meter links vom Gipfelkreuz auf dem Bergrücken raus, die Wegmarkierungen haben jedoch angezeigt, dass man auf dem Bergrücken erst 50 Meter nach rechts gehen muss, um dann in den Südhang zu gehen. Danach verschwinden alle Wegmarkierungen im Schnee. Diese Wegmarkierungen und das Selbstbewusstsein dieser beiden Vollprofis haben mich umgestimmt, so dass ich den entschlossenen Schritten dieser beiden Experten gefolgt bin. Irgendwann hat die Spur dieser Experten einen unlogischen Bogen gemacht. Beim Umschauen habe ich erkannt, dass diese beiden Experten wieder auf einem anderen Weg wieder zurück zum Gipfelkreuz gehen:



Wenn diese beiden Deppen in diesem Moment in Reichweite gewesen wären, hätten sie ein paar Ohrfeigen bekommen. Den ersten Satz Ohrfeigen dafür, dass man als Erster vom Gipfel losstürmt, ohne zu wissen, wo der Weg verläuft. Falls man den Weg nicht kennt, sollte man sich zurückhalten und anderen den Vortritt lassen. Den zweiten Satz Ohrfeigen haben sie dafür verdient, dass sie nicht in der gleichen Spur zurückgegangen sind, sondern nochmal eine neue Spur zurück zum Gipfel anlegt haben. So hat man dann zwei statt einer falschen Spur, die vom Gipfel weg führen. Den dritten Satz Ohrfeigen gibt es dafür, dass man nicht in der gleichen Spur zurück geht und die anderen Wanderer, die dieser falschen Spur gefolgt sind, warnt.
Ich wusste ja, wo meine Aufstiegsspur sein muss, auch wenn ich sie aktuell nicht sehen konnte. Deshalb bin ich einfach weiter abgestiegen, mir dabei eine logische Linie gesucht, und mich im Zweifelsfall eher rechts als links gehalten. So habe ich dann kurz darauf meine rettenden Spuren wieder gefunden, die mich zurück zu dem Durchschlupf geführt haben.
Die erste Stunde meines Abstiegs habe ich über diese beiden Deppen geflucht. Plötzlich bin ich erschrocken, weil ich ein unerwartetes Geräusch hinter mir gehört habe. Hinter einer Wegbiegung ist einer dieser beiden Deppen gerade um die Kurve gekommen. Die sind wohl meinen Spuren gefolgt und haben sich ziemlich beeilt. Der andere ist wohl genauso erschrocken wie ich. Er ist sofort ein paar Schritte zurückgegangen und war danach aus meinem Sichtfeld. Danach habe ich ihn nie wieder gesehen, obwohl ich langsam abgestiegen bin und mehrere gemütliche Pausen zum Genießen des Bergpanoramas gemacht habe. Vielleicht habe ich auch laut vor mich hin geflucht und er hat gewusst, dass er mir jetzt nicht über den Weg laufen sollte.
Als ich am Stripsenjochhaus ankam, hat mich der Hüttenwirt mit Handschlag begrüßt und mit meinem Vornamen angeredet. Ich war verblüfft, denn ich hatte keine Idee, woher der Mann, den ich vorher noch nie gesehen habe, meinen Vornamen kannte. Von den 50 Nächtigungsgästen an diesem Wochenende hat der Wirt auch kaum jemand mit Handschlag begrüßt. Seine Frau kannte aber meinen Namen. Drei Tage vorher bin ich nämlich den Anfang des Eggersteigs gegangen. Dies war der erste sonnige Tag seit längerer Zeit, und das Stripsenjochhaus hatte noch keine Gäste, weshalb das Hüttenwirtsehepaar auf der Terrasse die Sonnenstrahlen genossen hat. Als ich nach der Rückkehr vom Eggersteig bei der Hütte eingekehrt bin, sagte mir die Hüttenwirtin, dass sie einige Zeit mit dem Fernglas verfolgt hat, wie ich den Eggersteig gegangen bin und dabei von Gemsen verfolgt wurde.

9. Tag: Abstieg und Heimreise
Das Frühstücksangebot beim Stripsenjochhaus konnte mich nicht begeistern. Ich musste mich zwischen einem kleinen Frühstück für 8 Euro und einen großen Frühstück für 9 Euro entscheiden. Beim großen Frühstück wäre noch Wurst und Käse dabei, beim kleinen Frühstück dagegen nur Honig und Marmelade. Insofern hätte mir das kleine Frühstück gereicht, doch sind beim kleinen Frühstück nur drei Scheiben Brot dabei, während das große Frühstück vier Scheiben beinhaltet. Die Entscheidung war schwierig, soll ich wirklich riskieren, das kleine Frühstück zu nehmen, um dann nach drei Honigbroten noch Hunger auf ein viertes Brot zu haben? Die Frühstückszeit beim Stripsenjochhaus finde ich auch komisch. Abends um 22:05 Uhr hat die Hüttenwirtin abkassiert und die Frage eines Gastes nach einem letzten Glas Rotweinschorle abgelehnt. Auf dem Hans-Berger-Haus bin ich auch nicht viel später ins Bett gegangen, der Abbruch des Abends erfolgt dort aber nicht so abrupt. Auf dem Stripsenjochhaus gibt es aber erst ab 7:30 Uhr Frühstück. Beim Hans-Berger-Haus habe ich dagegen immer um 7:00 Uhr gefrühstückt. Ich hatte keine Lust, morgens irgendwie eine halbe Stunde Zeit auf dem Stripsenjochhaus tot zu schlagen.
Ich bin schon öfters beim Anton-Karg-Haus vorbeigekommen, als die Frühstücksterrasse in der Morgensonne lag. Von dieser Terrasse hat man einen schönen Blick auf die Berge des Wilden Kaisers. Deshalb habe ich mir vorgenommen, einmal auf dieser Terrasse zu Frühstücken. So kam es, dass ich das Frühstück am Stripsenjochhaus habe ausfallen lassen und in 1 ¼ Stunden zum Anton-Karg-Haus gewandert bin, um dort zu frühstücken:



Im Anton-Karg-Haus gibt es nur von 8:00 Uhr bis 9:00 Uhr Frühstück. Das Anton-Karg-Haus ist eher ein Berghotel für den Familienurlaub als ein Stützpunkt für ernsthafte Wanderer, die ihre längeren Touren früher starten müssen. Nachdem ich die anderen Hütten gesehen habe, bleibt das Hans-Berger-Haus mit einer für mich idealen Frühstückszeit ab 7:00 Uhr meine Lieblingshütte.

 
Hört sich nach einem tollen Urlaub an
Toller Bericht und schöne Bilder - das hört sich nach einem erlebnisreichen Urlaub an! Auch mir hat das Wetter dieses Jahr in den Bergen oft andere Erlebnisse beschert, als erwaret - aber durchaus nicht immer schlechtere. Nächste Woche geht es nach Berchtesgaden und ich hoffe, daß das Wetter diesmal mitspielt!
LG,
Peter

... link  


... comment