Montag, 26. April 2010
Radtour in den Schlosspark von Karlsruhe
Am ersten wirklich warmen und sonnigen Sonntag diesen Jahres habe ich eine Radtour in den Schlosspark von Karlsruhe unternommen.

Die ersten paar Kilometer waren mir gut vertraut: es ging auf sonnigen Radwegen durch grüne Landschaften und schöne Dörfer.

Am Stadtrand von Karlsruhe begann aber eine Siedlung die ich sehr abweisend fand. Ich würde um keinen Preis in diesem seelenlosen Wohngebiet leben wollen. Dieses Gebiet wurde im zweiten Weltkrieg zerbombt, weil die Bomberbesatzungen die Stadtmitte von Karlsruhe verfehlt haben. Nach dem Krieg wurden dort hässliche Bauten hochgezogen. Außer dicht gedrängt stehenden Wohnhäusern und einem S-Bahn-Anschluss findet man dort nichts: kein Cafe, kein Restauraunt, keine Kirche, keinen Platz; dafür sieht man ständig ein paar hässliche Wohnsilos an der Skyline.

Nach einer kurzen Tangierung eines großen Friedhofs und mehrerer Industriegebäude (Brauerei, Fraunhofer-Institut) führte die Strecke über das große Uni-Gelände. Danach hatte ich einen kurzen Kontakt mit der Karlsruher Innenstadt. Da man aber in der Fußgängerzone nicht Fahrrad fahren darf, habe ich die Innenstadt nicht weiter besucht. Ein Ferrari-Fahrer an einer Ampel hat mir gereicht. Mehr "Sehen und gesehen werden" habe brauche ich nicht.

Der Schlosspark war stark besucht von erholungssuchenden Stadtbesuchern. Selbst einen Kilometer außerhalb des Schlossparks wurde die einzige kleine Lichtung im Wald gierig belagert.

Für den Rückweg habe ich mich für eine andere Route entschieden: nämlich durch den Hardtwald. Gut an diesem Weg durch den Hardtwald ist, dass er im Schatten liegt und zumeist gut geteert ist. Schlecht ist, dass sich dieser Weg lange monoton hinzieht. Der Bergsteiger würde sagen "Es ist nicht lang, aber es zieht sich."

Wieder zuhause musste ich mich über die Stadtbewohner wundern, wie sie sich gierig in die kleinste Lichtung im Wald legen müssen. Als Landbewohner kennt man ja lauschige Fleckchen am Baggersee, die vorne nur vom See und rechts, links und hinten nur vom Wald umgeben sind.

Diese Strecke zum Schlosspark in Karlsruhe reicht mir einmal im Jahr, öfters muss ich das nicht haben. Aber jetzt weiß ich wieder, warum ich lieber auf dem Land und nicht in der Stadt wohne.

Das nächste Wochenende geht es mit dem Fahrrad lieber an den Rhein. Diese Strecke ist viel schöner.
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Samstag, 24. April 2010
Wer kam denn auf die dumme Idee mit dem Euro?
Nun haben wir den Salat: Griechenland steht vor der Staatspleite und möchte 30 Milliarden Euro von der EU, davon muss Deutschland 9 Milliarden Euro zahlen.

Um sich diese riesige Summe überhaupt vorstellen zu können, muss man diesen Betrag einmal auf den einzelnen Steuerzahler umrechnen. 9 Milliarden Euro geteilt durch 80 Millionen Deutsche gibt ungefähr 100 Euro pro Person. Wobei diese Rechnung nicht stimmt, weniger als die Hälfte aller Deutschen zahlt eine hohe Einkommensteuer. Der Anteil eines hart arbeitenden und gut verdienenden Singles wird eher 1000 Euro als 100 Euro betragen. Und wenn der Staat einfach mal so 1000 Euro meiner Steuer ausgibt, nachdem er die Jahre zuvor schon mehrere Milliarden Euro an Banken gegeben hat, die sich verzockt haben, stimmt mich das schon bedenklich. Ein Ende dieses Art des Geldausgebens ist ja nicht abzusehen, mehrere andere Staaten haben ähnliche Probleme.

Und was sagt den unser Wirtschaftsminister Gutenberg dazu? Vor kurzem hat er sich noch als aufrechter Kämpfer inszeniert, der sich strikt gegen Staatshilfen für Opel ausgesprochen hat. Bis jetzt habe ich aber keine Aussage von Gutenberg über die Geldzahlungen an Griechenland gehört. Es ist also in Ordnung, dass man Milliarden an die Bilanztrickser in Griechenland gibt, aber die deutschen Opel-Arbeiter leer ausgehen läßt? Dabei sind die Griechen doch selbst Schuld, während die Opelaner von der amerikanischen Muttergesellschaft GM heruntergewirtschaftet wurden.

Bei der Finanzkrise in den letzten Jahren hat man ja gelernt wie das läuft: Erst werden 30 Milliarden Euro gefordert. Und wenn das Geld dann da ist wird zwei Monate später gesagt, dass das Geld überraschenderweise nicht reicht und man nochmal 30 Milliarden Euro benötigt. Die Zahler stehen dann vor dem folgenden Dilema: entweder nochmal 30 Milliarden Euro hinterherwerfen oder zu sagen, dass Griechenland pleite gehen wird und die vor zwei Monaten gezahlten 30 Milliarden Euro jetzt unwiederbringlich weg sind. Welcher Politiker will den zwei Monate später als ein Depp dastehen? Da schießt man doch lieber nochmal 30 Milliarden Euro nach. Und danach können die Griechen ja noch ein drittes Mal kommen. Die Griechen sind ja als Bilanztrickser bekannt, in dieser Region wurde ja auch das Feilschen und Touristenneppen auf dem Basar erfunden; es würde mich wundern wenn die Griechen von Anfang an mit der ganzen Wahrheit rausrücken würden.

Dem Steuerzahler sollte klar sein, dass diese Milliarden nicht an die griechischen Bürger fließen werden, sondern an die Banken, die den Griechen Staatskredite gegeben haben. Das Staatsgeld wird nämlich direkt verwendet, um die von den Banken gegebenen Kredite zurückzuzahlen. Die Frage ist also: soll der deutsche Staat für die Finanzprobleme Griechenlands aufkommen oder die Banken, die die Kredite vergeben haben? Meine ganz eindeutige Meinung ist, dass die Banken und nicht der Staat die Zeche zahlen müssen. Die Banken haben sich schließlich dafür entschieden, Kredite an die Griechen zu vergeben, und nicht der deutsche Staat. Geld genug scheinen die Banken zu haben, um solche Verluste zu verkraften, sie zahlen ja schließlich wieder Milliarden an Boni. Die Banken haben auch jahrelang von den höheren Zinsen für ihre Kredite profitiert.

Haben die Rating-Agenturen, die die Zahlungsfähigkeit eines Staates einschätzen sollen, versagt? Nach der hehren Wirtschaftstheorie hätte es wie folgt laufen müssen: Die Finanzspezialisten der Ratingagenturen hätten schon vor Jahren die Finanzprobleme Griechenlands erkennen müssen. Dann hätte Griechenland ein Rating bekommen, so dass jeder Investor in griechische Staatsanleihen weiß, dass er für seine hohen Zinsen auf die griechischen Staatsanleihen ein gewisses Risiko eingeht. Der Investor wird also für sein eingegangenes Risiko durch einen höheren Zinssatz belohnt. Jeder Investor sollte sein Investment diversifizieren, das heißt er sollte nicht alles in griechische Staatsanleihen investieren, sondern z.B. nur 5 Prozent, so dass ein Ausfall von Griechenland verkraftbar ist.
Die Griechen wiederum hätten bei einer richtigen Einstufung durch die Ratingagenturen schon Jahre zuvor deutlich höhere Zinsen für ihre Staatsanleihen zahlen müssen, so dass die Griechen schon Jahre zuvor zu dem Schluss hätten kommen sollen, dass es besser wäre, die Finanzen in Ordnung zu bringen, als immer höhere Zinsen für die Staatsanleihen zahlen zu müssen.

Im Dezember 2009 hatten die griechischen Staatsanleihen noch das Rating A, was übersetzt bedeutet: "Die Anlage ist sicher, falls keine unvorhergesehenen Ereignisse die Gesamtwirtschaft oder die Branche beeinträchtigen". Wie kann eine Rating-Agentur eine sichere Anlage versprechen, wenn der Staat ein halbes Jahr später vor dem Staatsbankrot steht? Der Grund dafür ist, dass die Ratingagenturen nicht von den Anlegern bezahlt werden, die das faire Rating wissen möchten, sondern von den Schuldnern, die ein möglichst gutes Rating bekommen möchten.

Aktuell sind 30-jährige griechische Staatsanleihen mit einem Nennwert von 100 Euro zu einem Preis von 70 Euro zu kaufen. Wenn jetzt ein Investor diese Staatsanleihen kauft, und dann Deutschland die Rückzahlung garantiert, hat der Investor einen Gewinn von knapp 50 Prozent gemacht. Der Finanzmarkt hat also schon eingepreist, dass Griechenland 30 Prozent von dem Wert seiner Auslandsschulden streicht. Warum sollte der deutsche Steuerzahler nun solchen Investoren Geld schenken?

Ohne den Euro wäre das Finanzproblem in Griechenland überhaupt kein Problem. Denn dann könnten die Griechen selbst die Gelddruckpresse anwerfen und die Schulden wären über eine jahrliche Inflationsrate von 10 Prozent schnell abgebaut. Weiterhin würde diese Inflationsrate Griechenland attraktiv für Urlaubsreisende und Investoren machen. Und die durch die Inflationsrate bedingte reale Abnahme der Lohnstückkosten würde Griechenland wieder konkurrenzfähig machen; dies könnte man auf einem anderen Wege, wie z.B. über eine staatlich verordnete landesweite Gehaltskürzung, überhaupt nicht erreichen. Auf diese Weise würde die höhere Inflationsrate auch helfen, Griechenlands Wirtschaft anzukurbeln.
Der Euro hat aber diese Art der Geldpolitik unmöglich gemacht und zwingt nun Deutschland dazu, für die Schulden der Griechen aufzukommen.

Wer kam denn auf die dumme Idee mit dem Euro? Ich stelle mir diese Person als einen Politiker vor, der sehr gerne mit dem Flugzeug durch Europa fliegt, über rote Teppiche flaniert, Hände schüttelt und dabei fotogene Bilder produziert. Irgendwann vergisst dann so ein Politiker seine eigentliche Verantwortung für den deutschen Bürger und will nur noch Europa machen, sich in Europa als Euro-Politiker feiern lassen und als Mister Euro in die Geschichtsbücher verewigt werden.

Die Einführung des Euro war ein Fehler. Aber rückgängig machen kann man den Euro nicht mehr. Wie sollte das auch gehen? Sobald man sagen würde, dass alle Griechen jetzt ihre Euros wieder in ihre alten Drachmen umtauschen müssten, hätte jeder Grieche ein Euro-Konto im Ausland und kein Geld mehr in Griechenland.

Ich wäre gerne ein Schweizer. Die jetzige deutsche Regierung habe ich nicht gewählt.

Da hilft nur noch, das Beste daraus zu machen. Vielleicht werde ich demnächst mit etwas Spielgeld griechische Staatsanleihen zu einem Preis von 70 Prozent kaufen. Und wenn ich dann wieder in den Nachrichten lese, dass Deutschland für Griechenland zahlt, muss ich mich nicht mehr nur über die Verschwendung von deutschen Steuergeldern ärgern, sondern die ganze Sache hat noch einen positiven Anteil.
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Montag, 19. April 2010
Das Horoskop hat Recht
In einer Zeitschrift habe ich das Horoskop für mein Sternzeichen gelesen:
Süßigkeiten haben eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf sie.
Das trifft auf mich zu. Das Horoskop hat Recht.

Einige Horoskope für andere Sternzeichen treffen dagegen eher nicht auf mich zu:
* ausgelaugt fangen sie die Woche an
* Es stehen einige Entscheidungen an, die Mut und Entschlossenheit erfordern.

Andere Horoskope finde ich dafür nichtssagend, so dass ich nicht sagen kann, ob diese eher für mich zutreffen oder nicht:
* sie fragen sich, ob ein Tapetenwechsel Abhilfe schaffen könnte
* Die Ansichten Ihres Partners scheinen für Sie kaum von Interesse
* Dies ist ein exzellenter Tag für Prüfungen aller Art. (Habe gerade keine Prüfung)
* Nutzen sie den Tag weise
* Drosseln sie ihr Tempo und geniesen dafür das Leben mehr
* Wichtige Entscheidungen sollten vertragt werden, die Sterne stehen ungünstig
* Ihre Wünsche sind in weite Ferne gerückt
* Nutzen sie den Tag, um Dinge zu erledigen, die sie schon lange Vorhaben

Montag, 12. April 2010
Mit Gernstl Unterwegs
Im Bayerischen Fernsehen läuft regelmäßig die sehenswerte Sendung "Mit Gernstl unterwegs". Diese nehme ich mir immer mit dem Festplatten-Recorder auf und schaue sie bei Gelegenheit an.

Der Bayer Gernstl fährt in dieser Sendung mit seinem VW-Bus durch Deutschland, spricht Leute auf der Straße an, wird auch von Leuten in ihr Haus eingeladen, und lernt so die Lebensweisen der Menschen kennen.

In der letzten Folge war Gernstl auf Rügen. Bei Regen und Wind saß dort ein schon etwas dick gewordenes Ehepaar in einer Imbissbude und hat Fischbrötchen und Bier verzehrt. Das Ehepaar sah schon so aus, als würden sie in dem Imbiss Wurzeln schlagen. Gernstl hat die beiden gefragt, ob sie jeden Tag in ihrem Urlaub hierher kommen, um Fischbrötchen zu essen. Die Antwort war: "Nein, manchmal essen wir hier auch Matjes".
Ohne Worte.
Der Mann war das gefragt werden gleich leid und hat sich mühsam aus dem Plastikstuhl hochgewuchtet, um zur Theke zu schlurfen und noch ein Bier zu holen.
In dem Moment habe ich bei mir im Gehirn eine Notiz hinterlegt: "Gehe niemals zum Urlaub an die Nord- oder Ostsee, ich würde dort depressiv oder zum Alkoholiker werden".

In einer anderen Folge war Gernstl in Laufenburg. Laufenburg ist ein Städtchen, das zur Hälfte in Deutschland und zur anderen Hälfte in der Schweiz liegt. Dazwischen liegt nur eine Brücke.
Auf der deutschen Seite des Stadtzentrums war ein Angestellter der Stadt mit einem sehr sehr lautem Laubsauggerät beschäftigt. Für eine cirka ein Quadratmeter große Fläche hat er eine halbe Minute lang Lärm gemacht; und dabei ist das einzige Laubblatt auf dieser Fläche noch kleben geblieben.

Bei diesem Lärm wird doch jeder Bürger närrisch.

Gernstl hat versucht, den Arbeiter zu interviewen. Der Anfang hat sich schwer gestaltet, weil der Arbeiter den lauten Laubsauger nicht ausmachen wollte. Wenn der Arbeiter mit seiner kurzen gebrüllten Antwort fertig war, hat er extra Gas gegeben und sein Motorgerät aufheulen lassen, um die peinliche Stille zu überbrücken. Später hat er aber dann doch noch seinen Benzinmotor ausgeschaltet.

Gernstl hat dann gefragt: "Wie machen denn die Schweizer auf ihrer Seite ihr Laub weg?".
Stille.
Man lauscht und hört Nichts.
Man schaut und sieht Niemanden.
Man lauscht wieder in die Schweiz rüber und hört immer noch Nichts.
Wahrscheinlich kommt in der Schweiz einmal die Woche jemand mit dem Besen fegt einfach das Laub zusammen.
In Deutschland dagegen werden die Bürger jeden Tag stundenläng durch den sehr lauten Motorlärm närrisch gemacht.

Mir tun die Leute leid, die auf der lauten Seite von Laufenburg wohnen, wobei ich im weitesten Sinne auch dazu gehöre.

(Anmerkung: Es ist typisch für den Bayer Gernstl, dass alle Regionen außerhalb von Bayern in den Reportagen etwas schlechter wegkommen.)
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Rentnergeburtstag am Wochenende
Am vergangenen Wochenende war ich auf einem Rentnergeburtstag eingeladen. Aufgrund von bestimmten Umständen wie z.B. Schulferien war ich der einzige berufstätige Geburtstagsgast unter mehreren Rentnern.
Also ich muss sagen, dass diese Rentner einen sehr schönen und gelassenen Lebensstil pflegen, ganz anders als die hektischen Berufstätigen, deren Arbeitswoche vollgestopft ist und die am Wochenende ständig auf die Uhr schauen müssen. Diese Rentner haben eine solide Ehe - wie es sie heutzutage nicht mehr gibt - wohnen in einem abbezahlten großen Haus - dessen Grundstücksfläche man sich heute unbezahlbar ist - und haben einen A-Klasse-Mercedes in der Garage stehen. Der typische Rentnertag beginnt üblicherweise ganz gelassen mit einem gemütlichen Frühstück um 8:00 Uhr. Eine oder eineinhalb Stunden später sind dann die Brötchen gegessen, der Kaffee getrunken und die Zeitung ausgelesen. Dann prüft man das Wetter, um zu entscheiden, ob man etwas gärtnert, oder doch lieber auf Schnäppchensuche geht. Diese gelassene Art hat man den Gästen angemerkt. Ich habe richtig die Wohlfühl-Atmosphäre genossen. Hoffentlich werde ich auch einmal ein so schönes Rentnerleben haben, aber wohl leider ohne Frau.

Ich konnte mich auch gut mit den anderen Gästen unterhalten.
Einmal habe ich angemerkt, dass es der heutigen Rentnergeneration ja sehr gut geht, die heute unter 40-Jährigen können kaum darauf hoffen, mit 60 Jahren in eine auskömmliche Frührente gehen zu können. Diese Anmerkung ist gleich auf eine gute eingeübte Abwehr getroffen: "Ich habe 45 Jahre gearbeitet. Als ich damals mit 17 Jahren aus der Lehre kam, musste ich jeden Tag eine Stunde mit dem Zug zur Arbeit fahren, und habe nur 50 Pfennig pro Stunde verdient. Und zu den Zeiten, als wir das Haus noch abbezahlt haben, war nur alle zwei Jahre ein Urlaub im Schwarzwald drin."

Samstag, 10. April 2010
Computerschach mit Chesspartner
Momentan spiele ich etwas begeistert Computerschach.

Früher habe ich immer mal wieder mit Computerschach begonnen, es aber dann nach ein paar Tagen wieder aufgegeben. Der Computer kann nämlich in Sekunden Tausende von Zügen durchrechnen und so drei Züge vorausberechnen. So kann der Computer Kleinigkeiten erkennen und ausnutzen, die der Mensch leicht übersieht. Wenn man gegen solch eine rohe Rechenkraft eine Kleinigkeit übersieht, hat man das Spiel gleich verloren. Dies hat mich früher schnell frustriert. Jetzt habe ich aber eine Spielweise gefunden, die wieder interessant ist.

Beim Computerschach ist es wichtig, dass das Schachprogramm fein abgestufte Stärken des Computers anbietet. Das Programm ChessPartner bietet auch die von mir oft gespielte Stärke "10 Sekunden Denkzeit mit Handicap" an. Wobei "Handicap" vermutlich bedeutet, dass der Computer manchmal nicht den von ihm berechneten besten Zug macht, sondern auch manchmal den Zweitbesten. So habe ich auch eine Chance, mal zu gewinnen. Bei schlechten Schachprogrammen hat man nur die Wahl zwischen einem Schwierigkeitsgrad, bei dem man keine Chance gegen den Computer hat, und dem allerleichtesten Schwierigkeitsgrad, bei dem der Computer absolut dämlich spielt.

Das Computerprogramm Chesspartner zeigt in einem sogenannten Histogramm an, wie gut die aktuelle Position bewertet wird und wie sich diese Bewertung über die einzelnen Züge hinweg entwickelt hat. Bei dieser Bewertung wird nicht nur die verbleibende Anzahl der vorhandenen Figuren berücksichtigt, sondern auch die Stellung. Das heißt es wird berücksichtigt, ob alle Figuren gut gedeckt sind und ob die Figuren viel Bewegungsfreiheit haben. Man bekommt somit unmittelbar eine Rückmeldung, ob man seine Position gut entwickelt hat. Wenn man dann einen schlechten Zug macht, sieht man diesen Fehler sofort im Histogramm, auch wenn der Computer diesen Fehler erst drei Züge später ausnutzen kann. So kann man durch das Histogramm genau den schlechten Zug finden, der viele Züge später über Sieg oder Niederlage entschieden hat. Man kann dann diese Züge wieder zurückgehen und andere Varianten durchprobieren.

(Klick auf das Bild zeigt Gesamtbild)

Eine schöne Funktion von ChessPartner ist auch, dass das Programm mögliche Züge aus einer Eröffnungsdatenbank anzeigen kann. Bisher hatte ich immer meine gleiche Standard-Eröffnung gespielt. Das wurde dann irgendwann langweilig, weil immer die gleichen Positionen durchgespielt wurden. Über die Eröffnungsdatenbank zeigt ChessPartner dem Benutzer an, welche anderen Eröffnungen schon von Schach-Großmeistern gespielt und auch später als gut bewertet wurden. Wenn man den Varianten aus der Eröffnungsdatenbank mal fünf Zügen lang folgt, bis die Datenbank zu Ende ist, kann man zu ganz neuen und interessanten Positionen kommen, die einem selbst nicht eingefallen wären. Man sieht gute Züge von Großmeistern, auf die man selbst nicht gekommen wäre. Beispielsweise wäre ich nie auf die Idee gekommen, bei der Position in dem folgenden Bild den Bauer auf C4 zu ziehen, da der Bauer nicht gedeckt ist und sofort geschlagen werden könnte. In der Eröffnungsdatenbank wird dieser Zug aber als einer von drei guten Zügen geführt, und wenn man den Zug mal durchspielt sieht man auch warum das so ist. (Klick auf das Bild zeigt Gesamtbild)


In einem sogenannten Statistik-Fenster zeigt ChessPartner an, welche möglichen Züge der Computer bei seiner Zugauswahl durchgerechnet hat. So kann man z.B. erkennen, dass der Computer von allen Bewegungsmöglichkeiten zwei als besonders interessant erkannt und genauer durchgerechnet hat, um sich am Ende für den etwas besseren Zug zu entscheiden. Man sieht in diesem Statistik-Fenster auch, welchen Gegenzug der Computer erwartet und welchen Antwort-Zug der Computer schon eingeplant hat.

(Klick auf das Bild zeigt Gesamtbild)

Beim Endspiel hat dagegen Chesspartner wie die meisten anderen Schachprogramme auch Schwächen. Ich war einmal in einer Endspielsituation gegen den Computer, bei dem jeder Spieler neben dem König nur noch zwei Bauern und einen Turm hatte. Weiß hatte seine Bauern ganz links auf der a- und b-Linie stehen, Schwarz hatte seine beiden Bauern ganz rechts auf der g- und h-Linie stehen. In dieser Position ging es darum, möglichst schnell einen Bauern auf die andere Seite zu bringen, um ihn in eine Dame umzuwandeln. Der erste Spieler, der diese Umwandlung schafft, hat gewonnen. Deshalb habe ich bei diesem Endspiel versucht, so oft wie möglich mit dem Bauer zu ziehen, wenn ich nicht gerade mit einem anderen Zug meinen Bauer decken musste oder meinen König aus dem Schach ziehen musste. Der Computer hat aus purer Dummheit einmal verpasst, seinen Bauer zu ziehen, und statt dessen seinen Turm bewegt. Deshalb hat der Computer dann das Spiel verloren.
Die Dummheit des Computers beim Endspiel hat die folgende Ursache: Bei jedem Halbzug gibt es cirka 22 Möglichkeiten, seine Figuren zu bewegen. In dieser Position waren cirka 10 Züge nötig, um seinen Bauer auf die andere Seite zu bewegen, da nach jeden Zug mit dem Bauer mindestens ein weiterer Zug erforderlich war, um z.B. den Bauer wieder zu decken. Der Computer hätte somit 10 Doppelzüge vorausdenken, das heißt 22^(2*10) Spielpositionen durchrechnen müssen, um soweit zu kommen, dass ein Bauer in eine Dame umgewandelt wird. Da der Computer nicht soweit vorausrechnen konnte, hat er nicht erkannt, warum es in dieser Spielsituation so wichtig ist, seine Bauern nach vorne zu bewegen. Die pure Rechenkraft hat dem Computer in dieser Situation nicht genügt und eine Strategie hatte er nicht. Deshalb hatte der Computer falsch gespielt. Der Computer ist halt doch nur ein Computer und kein Mensch, der spontan neue Strategien entwickeln kann.
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