Montag, 13. Juni 2011
Bekanntschaft mit einem Rottweiler
Heute war ich auf einem schmalen Weg joggen. Da sich der Weg leicht windet, konnte man nur 30 Meter weit sehen. Auf diesem Weg ist plötzlich ein Rottweiler aufgetaucht. Als der Hund mich gesehen hatte, ist er sofort auf mich zugerannt und an mir hochgesprungen. Der Hund war nicht angeleint und sein Herrchen war nicht zu sehen.

Beim Joggen habe ich immer ein Pfefferspray am Hosenbund. Damit ich aber keine Spaziergänger durch ein offen getragenes Pfefferspray erschrecke, hängt immer ein T-Shirt oder eine Jacke über dem Pfefferspray. Der Hund konnte leider die 30 Meter schneller sprinten, als ich das Pfefferspray ziehen. Es ist kaum zu glauben, wie schnell ein Hund rennen kann. Nachdem der Hund schon eine Sekunde an mir hochgesprungen war, hatte ich erst das Pfefferspray in der Hand. Da wurde der Hund aber gerade noch rechtzeitig zurück gerufen.

In der Serie "Breaking Bad" habe ich gerade gesehen, wie die US-Polizei ihr Pfefferspray einsetzt. Der Protagonist der Serie wurde von einem Polizisten wegen einem technischen Mangel an seinem Fahrzeug angehalten. Der Fahrer ist aus dem Auto ausgestiegen und hat angefangen mit dem Polizisten zu diskuttieren und mit den Händen zu fuchteln. Der Polizist hat zwei mal gesagt, dass er sich wieder in das Auto setzen soll, und dann Pfefferspray eingesetzt. Nachdem der Autofahrer dann zwei Stunden auf dem Polizeirevier festgekettet war, hat er reuemütig seinen Fehler eingestanden.

Ein solches Fehlereingeständnis hat mir bei dem Halter dieses Rottweilers gefehlt. Er hat seinen Hund getätschelt und gesagt, "er ist halt ein Spinner". Der Hundehalter hat sich aber nicht einmal dafür entschuldigt, dass er mir einen großen Schrecken eingejagt hat.
Der Hundehalter hätte seinen Hund in irgendeiner Form mitteilen müssen, dass sein Angriff auf einen Menschen nicht in Ordnung war. Dies hat der Hundehalter aber nicht getan, sein Tätscheln hat der Hund wohl eher als Belobigung verstanden.
Der Hundehalter hätte auch seinen Hund anleinen müssen. Und er hätte einige Monate lang seinen Hund nur an der Leine ausführen dürfen, bis der Hund verstanden hätte, dass er keine Fremden Menschen anspringen darf. Dies hat der Hundehalter ebenfalls unterlassen; er hatte nicht einmal eine Leine dabei.

Der Vergleich mit der US-Polizeit bestätigt, dass man das Pfefferspray spätestens dann einsetzen muss, wenn ein Hund an einem hochspringt.

Die nächste Zeit werde ich wohl noch üben müssen, das Pfefferspray schneller zu ziehen.
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Mittwoch, 8. Juni 2011
Zwischenstand beim Projekt Euler
Beim Projekt Euler habe ich mittlerweile 125 Aufgaben gelöst. Damit bin ich schon einmal unter den ersten 3.000 weltweit. Jetzt bleiben nur noch wirklich schwierige Aufgaben übrig, eine der leichteren Aufgaben ist die Entwicklung eines Programms, welches automatisch Sudokos löst.

Mein nächstes Ziel wird sein, die 150er-Grenze zu knacken. Das haben bisher weltweit nur 800 Leute geschaft, obwohl sich schon über 100.000 bei Projekt Euler registriert haben.


Freitag, 13. Mai 2011
Project Euler
Momentan arbeite ich in meiner Freizeit am Projekt Euler.

Eigentlich wollte ich nur die neue Programmiersprache Scala erlernen. Da mir aber nur das Lesen eines Buches zu theoretisch war, habe ich mir Programmieraufgaben gesucht, bei der ich die neue Programmiersprache gleich ausprobieren konnte. Ein Artikel in einer Computerzeitschrift hat mich dann zum Projekt Euler gebracht.

Bei diesem Projekt muss man mathematische Rechenaufgaben mit Hilfe des Computers lösen. Nach der Eingabe der richtigen Lösung in ein Internet-Formular steigt der Wert des eigenen Benutzerprofils.

Um diese Aufgaben zu lösen, muss man mathematische Fähigkeiten mit Programmierfähigkeiten kombinieren. Betrachten wir dazu mal die folgende Aufgabe:



Diese Aufgabe kann der beste Mathematiker nicht lösen, wenn er nur Papier und Bleistift zur Verfügung hat. Diese Lösung muss mit Hilfe des Computers gesucht werden. Ein einfacher Brute-Force-Ansatz mit dem Computer ohne vorherige mathematische Überlegungen ist aber ebensowenig zielführend. Wenn man einfach für die Variablen a, b und c jeweils alle 1000 Kombinationen durchprobieren würde, müsste man eine Milliarde Möglichkeiten durchrechnen. Die Rechenzeit des Computerprogramms muss aber gemäß den Regeln unter einer Minute bleiben. Deshalb muss man den Suchraum, der vom Computer durchsucht wird, reduzieren. Der erste Ansatz dazu wäre, für die Variable c nicht alle 1000 Kombinationen durchzuprobieren, sondern die Variable c aus (1000 - a - b) zu berechnen. Im nächsten Schritt könnte man sogar noch b aus a bestimmen, so dass man nur noch 1000 Möglichkeiten für a durchprobieren müsste. Dieses Beispiel zeigt, wie man zur Lösung dieser Aufgaben mathematische Kenntnisse mit Programmierfähigkeiten verknüpfen muss.



Nach der richtigen Lösung einer Aufgabe wird man für das Diskussionsforum zu dieser Aufgabe freigeschaltet. Es ist interessant, die dort aufgeführten Lösungen zu studieren. Zum Beispiel schreibt ein leicht frustrierter Basic-Programmierer, dass sein Computerprogramm 3 Stunden rechnen musste, um zur Lösung zu kommen. Nachdem ich das gelesen habe, war ich ganz stolz, dass mein Programm dafür nur eine halbe Sekunde benötigt hat. Aber danach liest man von dem C-Programm eines russischen Mathematikers, welches nur 14 Millisekunden benötigt. Die Russen scheinen dort insgesamt gut vertreten zu sein.



Momentan habe ich nach einer Woche (in der es Abends immer spät wurde) 40 Aufgaben gelöst. 300 Aufgaben warten noch auf mich. Ich hatte schon etwas Sorgen, dass ich irgendwann alle Aufgaben gelöst habe und mir langweilig wird. Diese Bedenken wurden aber schnell zersteut, als ich die Liste der Aufgaben mal nach dem Schwierigkeitsgrad sortiert habe. Auf Platz 83 steht die Entwicklung eines Computerprogramms, welches automatisch Sudokus löst. Die Funktionsfähigkeit dieses Programms muss man dadurch beweisen, dass man eine Sammlung von Sudoku-Aufgaben herunterlädt, diese automatisch vom Programm lösen läßt und dann eine Quersumme dieser Lösungen in das Lösungsformular eingibt.
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Montag, 25. April 2011
Vom Internet ins richtige Leben - Der Ostermarsch zum KKW Philippsburg
Gestern habe ich einen einseitigen Zeitungsartikel über die Atomkraft gelesen. Dieser hat mich dazu gebracht, heute Morgen in einem Blog-Beitrag über die verschwiegenen Kosten der Atomkraft zu schreiben. Danach habe ich gedacht, dass es das ja nicht gewesen sein konnte. Draußen ist das schönste Wetter und ich sitze zu Hause vorm Internet.

Es gibt einige Blogger, die nur im Internet zu leben scheinen. Wenn diese im realen Leben einen Platz im Cafe weggenommen bekommen, entschuldigen die sich noch freundlich, halten den Mund und gehen. Zu hause wird dann das Internet angeschaltet und eine Hasstirade über die Person geschrieben, die einem den Platz weggenommen hat. So möchte ich nie werden.

War heute nicht irgendwas mit Ostermärschen zu Kernkraftwerken? Schnell gegoogled und dann auf zum nächsten Kernkraftwerk in Philippsburg! Und das natürlich umweltfreundlich mit dem Fahrrad.

Den Fahrradweg nach Philippsburg musste ich erst noch erkunden. Die ersten 15 Kilometer waren mir zwar bekannt, doch danach haben mich meine Ortskenntnisse verlassen. Als ich das folgende Schild gesehen habe, habe ich gedacht, dass die Obrigkeit einem den Weg nach Philippsburg wirklich nicht leicht machen will:



Dieser schmale Trampelpfad hatte einige tiefe Schlaglöcher, die mich gut durchgeschottert haben.
Ich habe noch nie so einen schlechten Fahrradweg erlebt. Ein Rennradfahrer hätte hier umkehren müssen. Aber ich fahre ja Treckingrad. Ich weiß schon, warum ich ein Treckingrad und kein Rennrad fahre.

Während der Weg mich durchgeschüttelt hat, habe ich noch gedacht, dass der Weg nicht noch schlimmer werden kann. Aber er wurde schlimmer. Seit wann sieht denn ein Fahrradweg so aus? :



Was kommt als Nächstes? Hat die Polizei vielleicht auch noch die Schilder verdreht, damit Niemand den Weg nach Philippsburg findet? Mein aufkeimendes Misstrauen wurde erst wieder beruhigt, als ich die beiden Kühltürme sah:



Dort angekommen habe ich mich gleich in den Demonstrationszug eingereiht:



Nach einer viertel Stunde Gehzeit konnte ich mir eine Vorstellung davon machen, wie viele Menschen heute überhaupt mitmarschieren. Der Blick auf die Tausenden von Menschen, die gerade zum Kernkraftwert marschieren, war beeindruckend:



(Die Menschenschlange geht noch weiter, als man auf dem Bild erkennen kann; aufgrund der Belichtung verschwindet leider der Anfang der Schlange im Hellen.)

Am Kernkraftwerk angekommen, bin ich nur noch ein paar Minuten geblieben. Nicht mehr lange, aber lange genug, damit ich vom Helikopter am Himmel mitgezählt werden konnte. 3.000 Teilnehmer sollen es laut offizieller Meldung gewesen sein.



Kurzzeitig habe ich den Geruch von frisch gemähtem Gras wahrgenommen. So als würde jemand gerade Rasen mähen. Aber ein Rasenmäher war nicht zu hören. Es hat auch nicht genau so wie frisch gemähtes Gras gerochen, der Geruch war eher etwas süßlicher und auch etwas erdig. Es ist etwas schwer zu beschreiben, etwa so wie es auf einem Hans-Söllner-Konzert riecht. Ich habe mich kurz umgeschaut, aber auf den ersten Blick keinen Raucher mit Rastalocken entdeckt. Schade, ich hätte gerne etwas mit geraucht. Ich war ja mit dem Fahrrad da, das wäre kein Problem gewesen.

Für den Rückweg habe ich keine Schilder mehr benötigt. Zuerst muss ich einfach nur den Rhein entlang radeln. Mal direkt neben dem Rhein:



Mal ist der Radweg vom Rhein durch einen Hochwasserdamm getrennt:



Und mal radelt man direkt auf dem Hochwasserdamm:



Vorbei an einem brütenden Schwan:


So viel Radelei hat durstig gemacht. Deshalb musste ich mich mit Apfelsaftschorle und hausgemachtem Frankfurter Kranz stärken:



Diese Gaststätte macht vor, wie es anders gehen kann. Sie macht ihren Strom selbst, indem sie das Mühlrad an einen Generator angeschlossen haben:



Frisch gestärkt geht es weiter auf dem Heimweg. Nachdem ich mich vom Rhein abgewendet habe, muss ich nur noch Ausschau nach einem Hügel halten, auf dem eine weiße Kapelle steht. Dann muss ich nur noch direkt in diese Richtung steuern. So finde ich immer wieder nach Hause.



Nach 60 Kilometern, kurz vorm Ziel, fühle ich mich überhaupt nicht müde. Ganz im Gegenteil, ich radele lustig vor mich hin. Die Vorstellung, dass man heute etwas Gutes für die Welt getan hat, hat einfach beschwingt.

Gegen Ende muss ich noch über eine Autobahnbrücke. Als ich von dort aus den üblichen Autobahnstau zu Ostern sehe, bin ich mir sicher, dass ich Ostern richtig verbracht habe.



Jemand, der an diesem Tag nur mit dem Fahrrad unterwegs war und nicht - wie eine Bekannte von mir - schnell mit dem Fünfer BMW nach Südfrankreich gedüst ist, muss sich den Vorwurf, dass wir ohne Kernkraftwerke nicht genügend Energie hätten, nicht gefallen lassen.

Die Kosten von Fukushima und der Atomkraft allgemein
Kaum hat nach der Atomkatastrophe von Fukushima die Bewegung zur Abkehr von der Atomkraft etwas Fahrt aufgenommen, wird schon in Zeitungen davor gewarnt dass die Abschaltung der Kernkraftwerke zur Erhöhung der Strompreise führen könnte. Ich selbst halte diese Argumentation für unseriös und billige Propaganda - deshalb möchte ich diese oft genannten Kosten beim Ausstieg aus der Atomkraft mit den Kosten von Fukushima - über die niemand redet - mal vergleichen. Das Ergebnis dieses Vergleichs soll zeigen, ob die Atomkraft wirklich so kostengünstiger ist, wie oft von den Atom-Lobbyisten argumentiert wird.

Immer wenn Lobbyisten und Politiker gegen ein Vorhaben sind, wird mit den Kosten argumentiert. Eine Hartz IV-Erhöhrung? - Die 100 Millionen Euro dafür sind nicht vorhanden. Den Stuttgarter Bahnhof unter die Erde zu verlegen? - Die Kosten von 4,5 Milliarden kann man in dem Fall nicht verschweigen, aber darüber wird nicht diskuttiert. 100.000 Euro für die Sanierung des maroden Ortsteilschwimmbades oder für ein Jugendtreff? - Nicht finanzierbar, dann müssen sich die Jugendlichen halt Abends auf einer Parkbank treffen, wo sie Trinken und Rauchen. Milliarden für Banken oder europäische Schuldenstaaten? - Dafür wird überhaupt gar kein Preis genannt.

Der Sarkophag für die ganzen Reaktoren von Fukushima und die Pflege des Sarkophags in den nächsten Jahrzehnten wird ca. 10 Milliarden Euro kosten. Diesen Wert musste ich selbst schätzen, der Sarkophag in Tschernobyl hat 2 Mrd. Euro gekostet, und der eine Reaktor in Tschernobyl hat einen viel kleineren Sarkophag erfordert, in Fukushima dagegen müssen evtl. für jeden der vier Reaktoren ein eigener Sarkophag gebaut werden.

In Japan wurden bisher jedes Jahr Fische im Wert von 35 Milliarden Euro gefangen. Wenn man annimmt, dass in den nächsten Jahren niemand mehr Fische aus Japan möchte, kommen so schnell Kosten von 100 bis 200 Milliarden Euro zusammen.

Innerhalb der Evakuierungszone - die von vielen Experten als zu klein erachtet wird - haben bisher 80.000 Japaner gelebt. Wenn diese Evakuierungszone dauerhaft bestehen bleiben muss und deshalb die Wohnungen und Häuser in dieser Evakuierungszone wertlos werden, wurden dadurch Grundstückwerte und Häuserwerte von ca. 8 Milliarden Euro vernichtet.

Ein anerkannter Strahlenexperte rechnet damit, dass in den nächsten Jahrzehnten der Fukushima-Unfall zu 250.000 zusätzlichen Krebserkrankungen führen wird. Krebs ist die teuerste Krankheit überhaupt, da bei dieser Krankheit über Jahre hinweg eine intensive medizinische Behandlung erforderlich ist. Zusätzlich zu diesen hohen Behandlungskosten kommen noch die Kosten für den Verdienstausfall und die Kosten für eine Todesfolge. Wenn man insgesamt mit Kosten von 200.000 Euro je Krebserkrankung rechnet, summieren sich diese Folgekosten auf 50 Milliarden Euro.

Die Kosten für die Endlagerung der radioaktiven Abfälle trägt in Deutschland der Steuerzahler und sind damit nicht fair in den Preis des Atomstromes eingepreist. Die Kosten, die dafür der Menschheit in den nächsten tausend Jahren aufgebürdet wird, kann niemand genau sagen. Die Kosten müssen aber sehr hoch sein. Beispielsweise hat man im Salzbergwerk Asse radioaktives Matrial, das noch in tausend Jahre strahlen wird, eingebuddelt, und mus das Material ein paar Jahre später schon wieder mit Milliardenkosten ausbuddeln. Wenn man dies alle paar Jahre lang für die nächsten tausend Jahre machen muss, kommt ganz schön was zusammen.

Insgesamt würde ich die Folgekosten dieser Atomkatastrophe auf 250 Milliarden Euro schätzen.
Diese Kosten würde ich wie folgt auf den Strompreis verteilen: 200 Milliarden Euro geteilt durch 120 Millionen Japanar geteilt durch 40 Jahre (so lange gibt es schon Atomkraft in Japan) ergibt 52 Euro pro Japaner und Jahr. Das heißt bei korrekter Verrechnung der Kosten der Atomkraft wäre der Atomstrom je Person im Haushalt 52 Euro im Jahr höher.

Diese rein finanzielle Betrachtung ist natürlich vollkommener Blödsinn. Wieviel ist es einem persönlich Wert, wenn man kein schlechter Gefühl mehr beim Verzehr von Wildschwein-Fleisch haben muss? Wieviel ist es einem Wert, wenn man nicht zusehen muss, wie ein Verwandter über Jahre hinweg langsam an Krebs zugrunde geht?

Politiker sehen in der Atomkraft aber auch noch einige Vorteile. Diese Gründe für die Atomkraft werden von Politikern nicht gern genannt, obwohl diese für die Politiker manchmal die entscheidenden Gründe für die Atomkraft sind. Ein Vorteil ist, dass ein Land, welches selbst Atomkraft nutzt, auch zum Exporteur von Atomtechnologie werden kann und damit seine Aussenhandelsbilanz verbessert. Für Frankreich ist die Atomtechnologie eines der wichtigsten Exportgüter - ihre Automobilindustrie ist ja nicht so gut. Der weiterer Vorteil der Atomkraft ist, dass man nicht auf den Import von Kohle und Gas angewiesen ist und somit nicht aussenpolitisch erpressbar ist und sogar im Kriegsfall unabhängig von Importen weiter Strom hätte. Der dritter Vorteil ist, dass man durch Atomkraft an die Technologie und das Material zum Bau der Atombombe kommt.
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Sonntag, 3. April 2011
Über meine Tante
Wenn man sich vorstellt, dass man in einem kleinen Ort aufwächst, wo die Tante mit ihren beiden Kindern 500 Meter entfernt wohnt, stellt man sich das erst einmal ganz romatisch vor. Das war es aber nicht, für mich war ein Besuch bei der Tante immer lästig. Ich war als Kind nur bei der Tante, wenn meine Eltern mal länger etwas erledigen musste, und jemand nötig war, der auf das Kind aufpasst. Das war zum Glück eher selten der Fall.

Einmal bin ich nur durch die Haustür, und dann fing schon das Gemecker an: "Wer ist denn hier mit seinen schmutzigen Schuhen über den Teppich gelaufen". Dann fing die Tante an, demonstrativ in gebückter Haltung den Teppich abzusuchen. Das Profil meiner Turnschuhe enthielt wohl etwas Dreck, aber was konnte ich denn als Kind dafür? Und muss man deswegen gleich so ein Theater veranstalten?

Oft habe ich dann meinen fünf Jahre älteren Cousin angetroffen, der irgendwo rumgelümmelt ist, sich Lausbubenstreiche ausgedacht hat oder sich gelangweilt hat. Für den war ich manchmal ein willkommener Besuch. Manche Jungs in seinem Alter spielen gerne Fußball, er hat gerne Kleinere getriezt.
Das konnte er auch wirklich gut. Einmal haben wir verstecken gespielt. Dann kam er in das Zimmer und hat so lange irgendein Blödsinn erzählt, dass man durch Lachen sein Versteck verraten hat.

Selbst seine jüngere Schwester blieb nicht verschont. Wenn sie auf dem Klavier geübt hat, ist er von hinten an sie herangeschlichen und hat sie durch einen überraschenden Griff ans Genick erschreckt. Damit der Schreck auch wirklich wirksam ist, hat er seine Hand vorher im Gefrierfach gekühlt. Man stelle sich nur vor, man übt nicht Böses denkend am Klavier, und dann packt einem plötzlich eine eiskalte Hand am Genick. Dieser Cousin ist dann später Polizist geworden.

Meine Tante hat alle Frechheiten meines Cousins immer durchgehen lassen. Wenn ich das Gleiche gemächt hätte wie mein Cousin, hätte ich gleich eine Ohrfeige bekommen; danach wäre meine Mutter angerufen worden, um ihr mitzuteilen, dass ihr Sohn ein ungezogener Bengel ist. Diese ungleiche Behandlung hat bei meiner Tante System, und dieses System nennt man auch "Messen mit zweierlei Maß". Für die Familie meiner Tante wurde ein Maß verwendet, und für meine eigene Familie ein anderes Maß. Deshalb bin ich mit meiner Tante nie richtig warm geworden, sondern ich war froh, wenn die lästigen Pflichtbesuche vorbei waren.