Eine Traumreise auf Mauritius
it-single, 21:33h
Für Glücksspiele interessiere ich mich überhaupt nicht. Nüchtern und rein mathematisch betrachtet gewinnt bei einem Glückspiel eh immer nur die Bank. Insofern habe ich noch nie ein rationales Argument für die Teilnahme an einem Glücksspiel gefunden.
Ein Bekannter erzählt mir öfters von seinen Gewinnen am Spielautomaten. Wenn man Abends in seiner Stammkneipe sitzt und es ist noch nichts los, ist der Glücksspielautomat ja nur eine halbe Körperdrehung entfernt. Gerne wird dann die Geschichte erzählt, dass man fünf Euro reingeworfen hat, und danach das Geld für eine Pizza und zwei Bier rausbekommen hat - an dem Abend war man frei. Man hört auch öfters die Geschichte, dass jemand nur fünf Euro reingeworfen hat, und dann fünfzig Euro herausbekommen hat. So kommt es dann öfters vor, dass man nach dem gemeinschaftlichen Verzehr der Pizza zum Spielautomaten geht, um zu schauen, ob man das Geld für die Pizza wieder rauskriegt. Wenn das alles so einfach gehen würde, dann müsste der Spielautomatenaufsteller bei seinen regelmäßigen Besuchen Geld nachfüllen, anstatt Geld herauszuholen. Diese verzerrte Wahrnehmung scheint darin begründet zu sein, dass manche Leute Verluste lieber schnell vergessen und den Freunden lieber nur Geschichten vom Gewinn erzählen.
Von meiner jahrelangen Glücksspiel-Abstinenz habe ich letzte Woche eine Ausnahme gemacht. In einer Laufzeitschrift hat die Verlosung einer Startnummer für den Mauritius-Marathon mein Interesse geweckt. Clever wie ich bin habe ich auch das Kleingedruckte gelesen: der Gewinn schließt einen einwöchigen Aufenthalt auf Mauritius in einem 4-Sterne-Hotel ein. Man könnte doch einfach auf Mauritius fliegen, sich es dort eine Woche lang in der Sonne gut gehen lassen, und dann kurz vorm Marathonstart sagen, dass man wegen eines verstauchten Knöchels leider leider nicht teilnehmen kann. Was für eine geniale Idee - darauf kommt außer mir bestimmt niemand. Praktischerweise konnte man sich auch über das Internet anmelden, so dass man sich die Schreiberei und das Porto sparen konnte.
Die Anmeldung zur Mauritius-Verlosung erfolgt über eine Internetseite von BMW. Normalerweise gebe ich, wenn eine Webseite undbedingt meine Adresse haben möchte, eine falsche Adresse an. Dies war im Falle der Mauritius-Verlosung aber nicht möglich; die Flugtickets müssen schon bei der richtigen Adresse ankommen. Bei der Angabe meines Geburtsdatums habe ich zuerst etwas gezögert, aber dann habe ich mir vorgestellt, wie es wäre, wenn am Flughafen das falsche Geburtsdatum auffällt und ich deshalb nicht in den Flieger dürfte. Mit der Angabe meines aktuellen Automodells hatte danach auch weniger Probleme. Das Eingabefeld "welches BMW-Modell hätten Sie gerne?" konnte man nicht leer lassen und auch nicht mit "überhaupt keinen BMW" beantworten. Zwei Tage später war dann eine Werbebroschüre eines neuen Fünfer BMWs im Briefkasten.
Der Gedanke an den Mauritius-Marathon hat mich auch ein paar Tage später noch beschäftigt. Ein paar Mausklicks waren erforderlich, um zu wissen, dass man die Mauritius-Woche auch selbst über einen Reiseveranstalter buchen könnte, falls es mit dem Gewinnspiel nicht klappt. Der Marathon-Reiseveranstalter hat auch andere Ziele wie z.B. den New York- oder Boston-Marathon im Programm. Das klingt alles sehr interessant, den Reisekatalog sollte man mal bookmarken.
Wie schafft es eine Zeitschrift, einen solchen Hauptpreis im Wert von 2.000 Euro zu finanzieren? Diese Wirtschaftlichkeitsrechnung würde ich wie folgt schätzen: An dem Gewinnspiel nehmen 10.000 Personen teil. Die Hälfte dieser Teilnehmer träumt danach mehrere Tage lang von einem Mauritius-Urlaub gedacht. Davon wiederum haben 2.000 Personen den Katalog mit den Marathon-Reisen interessiert durchgelesen. 100 Personen buchen dann eine Reise aus dem Katalog selbst, nachdem sie erfahren haben, dass es mit dem Gewinn nichts wurde. Üblicherweise zahlt eine Firma fünf bis zehn Prozent Provision für die Werbung von Neukunden. Das wären dann bei 100 Kunden und einem durchschnittlichen Reisepreis von 2.000 Euro eine Gesamtprovision von 10.000 bis 20.000 Euro. So betrachtet muss der Reiseveranstalter die Reise verschenkt haben. Eine ganzseitige Werbung in einer Laufzeitschrift wäre sicherlich ineffektiver und teuerer gewesen als dieses Gewinnspiel. Der Reiseveranstalter hat möglicherweise der Laufzeitschrift nicht nur den Preis gestiftet, sondern auch noch die Bilder und den Text für den Artikel geliefert. Damit hat die Laufzeitschrift ohne Arbeit und Kosten eine ganze Seite füllen können.
Was hat jetzt aber BMW mit der ganzen Geschichte zu tun? Warum läuft die Abwicklung des Gewinnspiels über eine Webseite von BMW? Na ja - dadurch kommt BMW an mindestens 10.000 hochwertige Adressdaten von jungen und dynamischen Sportlern. Wenn man Adressdaten irgendwo kauft, zahlt man vielleicht einen Euro pro Datensatz, und hat dann schlechte oder veraltete Daten und weiß immer noch nicht, ob der Kunde das Budger für einen Dreier BMW oder doch für ein Fünfer BMW hat oder ob sich der Kunde für Geländewagen interessiert. Die Adressdaten wird BMW nicht für umsonst bekommen haben, die Laufzeitschrift hat nicht nur den Gewinn geschenkt bekommen, sondern kriegt noch zusätzlich Geld von BMW. Und ich Depp habe noch Geld für die Laufzeitschrift ausgegeben, in der ich außer dem Mauritius-Traum nichts weiter lesenswertes gefunden habe.
So habe ich mich ernüchtern von meinem Mauritius-Traum verabschiedet. Meine Skepsis gegenüber Gewinnspielen hat sich dadurch nur noch bestätigt. Früher habe ich über meine Eltern gelacht, die auf Verbrauchermessen an jeder Ecke an einem Gewinnspiel teilgenommen haben "Man muss ja nur seine Adresse drauf schreiben und es kostet kein Porto" und sich danach gewundert haben, woher die ganze Werbung kommt woher die Firmen die Adressen haben. Ich bin auch nicht schlauer, nur die Tricks der Firmen sind mit der Zeit besser geworden.
P.S. Manche Leser werden jetzt an dieser Stelle einwenden, dass ich sie mir unfairen Mitteln angelockt habe: die Überschrift verspricht eine Traumreise nach Mauritius und am Ende kommt nichts. Dieses Wecken von hohen Erwartungen passt thematisch sehr gut zum Thema Gewinnspiele, weshalb ich mich bewußt für diesen etwas irreführenden Titel entschieden habe. Außerdem macht das jede Zeitschrift so, die Profis nennen das Anteasern. Wer hat am Kiosk nicht schon einmal den Spiegel gekauft weil auf dem Titelblatt steht "Das ultimative Wissen, wie man 120 Jahre alt werden kann", und dann nach dem Lesen von ein paar Seiten festgestellt, dass man danach nicht schlauer ist als zuvor.
Ein Bekannter erzählt mir öfters von seinen Gewinnen am Spielautomaten. Wenn man Abends in seiner Stammkneipe sitzt und es ist noch nichts los, ist der Glücksspielautomat ja nur eine halbe Körperdrehung entfernt. Gerne wird dann die Geschichte erzählt, dass man fünf Euro reingeworfen hat, und danach das Geld für eine Pizza und zwei Bier rausbekommen hat - an dem Abend war man frei. Man hört auch öfters die Geschichte, dass jemand nur fünf Euro reingeworfen hat, und dann fünfzig Euro herausbekommen hat. So kommt es dann öfters vor, dass man nach dem gemeinschaftlichen Verzehr der Pizza zum Spielautomaten geht, um zu schauen, ob man das Geld für die Pizza wieder rauskriegt. Wenn das alles so einfach gehen würde, dann müsste der Spielautomatenaufsteller bei seinen regelmäßigen Besuchen Geld nachfüllen, anstatt Geld herauszuholen. Diese verzerrte Wahrnehmung scheint darin begründet zu sein, dass manche Leute Verluste lieber schnell vergessen und den Freunden lieber nur Geschichten vom Gewinn erzählen.
Von meiner jahrelangen Glücksspiel-Abstinenz habe ich letzte Woche eine Ausnahme gemacht. In einer Laufzeitschrift hat die Verlosung einer Startnummer für den Mauritius-Marathon mein Interesse geweckt. Clever wie ich bin habe ich auch das Kleingedruckte gelesen: der Gewinn schließt einen einwöchigen Aufenthalt auf Mauritius in einem 4-Sterne-Hotel ein. Man könnte doch einfach auf Mauritius fliegen, sich es dort eine Woche lang in der Sonne gut gehen lassen, und dann kurz vorm Marathonstart sagen, dass man wegen eines verstauchten Knöchels leider leider nicht teilnehmen kann. Was für eine geniale Idee - darauf kommt außer mir bestimmt niemand. Praktischerweise konnte man sich auch über das Internet anmelden, so dass man sich die Schreiberei und das Porto sparen konnte.
Die Anmeldung zur Mauritius-Verlosung erfolgt über eine Internetseite von BMW. Normalerweise gebe ich, wenn eine Webseite undbedingt meine Adresse haben möchte, eine falsche Adresse an. Dies war im Falle der Mauritius-Verlosung aber nicht möglich; die Flugtickets müssen schon bei der richtigen Adresse ankommen. Bei der Angabe meines Geburtsdatums habe ich zuerst etwas gezögert, aber dann habe ich mir vorgestellt, wie es wäre, wenn am Flughafen das falsche Geburtsdatum auffällt und ich deshalb nicht in den Flieger dürfte. Mit der Angabe meines aktuellen Automodells hatte danach auch weniger Probleme. Das Eingabefeld "welches BMW-Modell hätten Sie gerne?" konnte man nicht leer lassen und auch nicht mit "überhaupt keinen BMW" beantworten. Zwei Tage später war dann eine Werbebroschüre eines neuen Fünfer BMWs im Briefkasten.
Der Gedanke an den Mauritius-Marathon hat mich auch ein paar Tage später noch beschäftigt. Ein paar Mausklicks waren erforderlich, um zu wissen, dass man die Mauritius-Woche auch selbst über einen Reiseveranstalter buchen könnte, falls es mit dem Gewinnspiel nicht klappt. Der Marathon-Reiseveranstalter hat auch andere Ziele wie z.B. den New York- oder Boston-Marathon im Programm. Das klingt alles sehr interessant, den Reisekatalog sollte man mal bookmarken.
Wie schafft es eine Zeitschrift, einen solchen Hauptpreis im Wert von 2.000 Euro zu finanzieren? Diese Wirtschaftlichkeitsrechnung würde ich wie folgt schätzen: An dem Gewinnspiel nehmen 10.000 Personen teil. Die Hälfte dieser Teilnehmer träumt danach mehrere Tage lang von einem Mauritius-Urlaub gedacht. Davon wiederum haben 2.000 Personen den Katalog mit den Marathon-Reisen interessiert durchgelesen. 100 Personen buchen dann eine Reise aus dem Katalog selbst, nachdem sie erfahren haben, dass es mit dem Gewinn nichts wurde. Üblicherweise zahlt eine Firma fünf bis zehn Prozent Provision für die Werbung von Neukunden. Das wären dann bei 100 Kunden und einem durchschnittlichen Reisepreis von 2.000 Euro eine Gesamtprovision von 10.000 bis 20.000 Euro. So betrachtet muss der Reiseveranstalter die Reise verschenkt haben. Eine ganzseitige Werbung in einer Laufzeitschrift wäre sicherlich ineffektiver und teuerer gewesen als dieses Gewinnspiel. Der Reiseveranstalter hat möglicherweise der Laufzeitschrift nicht nur den Preis gestiftet, sondern auch noch die Bilder und den Text für den Artikel geliefert. Damit hat die Laufzeitschrift ohne Arbeit und Kosten eine ganze Seite füllen können.
Was hat jetzt aber BMW mit der ganzen Geschichte zu tun? Warum läuft die Abwicklung des Gewinnspiels über eine Webseite von BMW? Na ja - dadurch kommt BMW an mindestens 10.000 hochwertige Adressdaten von jungen und dynamischen Sportlern. Wenn man Adressdaten irgendwo kauft, zahlt man vielleicht einen Euro pro Datensatz, und hat dann schlechte oder veraltete Daten und weiß immer noch nicht, ob der Kunde das Budger für einen Dreier BMW oder doch für ein Fünfer BMW hat oder ob sich der Kunde für Geländewagen interessiert. Die Adressdaten wird BMW nicht für umsonst bekommen haben, die Laufzeitschrift hat nicht nur den Gewinn geschenkt bekommen, sondern kriegt noch zusätzlich Geld von BMW. Und ich Depp habe noch Geld für die Laufzeitschrift ausgegeben, in der ich außer dem Mauritius-Traum nichts weiter lesenswertes gefunden habe.
So habe ich mich ernüchtern von meinem Mauritius-Traum verabschiedet. Meine Skepsis gegenüber Gewinnspielen hat sich dadurch nur noch bestätigt. Früher habe ich über meine Eltern gelacht, die auf Verbrauchermessen an jeder Ecke an einem Gewinnspiel teilgenommen haben "Man muss ja nur seine Adresse drauf schreiben und es kostet kein Porto" und sich danach gewundert haben, woher die ganze Werbung kommt woher die Firmen die Adressen haben. Ich bin auch nicht schlauer, nur die Tricks der Firmen sind mit der Zeit besser geworden.
P.S. Manche Leser werden jetzt an dieser Stelle einwenden, dass ich sie mir unfairen Mitteln angelockt habe: die Überschrift verspricht eine Traumreise nach Mauritius und am Ende kommt nichts. Dieses Wecken von hohen Erwartungen passt thematisch sehr gut zum Thema Gewinnspiele, weshalb ich mich bewußt für diesen etwas irreführenden Titel entschieden habe. Außerdem macht das jede Zeitschrift so, die Profis nennen das Anteasern. Wer hat am Kiosk nicht schon einmal den Spiegel gekauft weil auf dem Titelblatt steht "Das ultimative Wissen, wie man 120 Jahre alt werden kann", und dann nach dem Lesen von ein paar Seiten festgestellt, dass man danach nicht schlauer ist als zuvor.